Captain Scott Schimpanse stinkts gewaltig
Captain Scott Schimpanse, der legendäre Kommandant des Raumschiffs BANANENSCHALE, wälzte sich in seinem Bett unruhig hin und her. Trotz der warmen Decke, unter die er sich zurückgezogen hatte, trotz seiner gewohnten und geliebten Kabine, in der er sich befand, war es ihm unmöglich endlich den Weg ins Traumland zu finden.
„Ich verstehe das nicht. Der Kurs ist mir seit Jahrzehnten bekannt und ich habe noch nie verflogen. Was also stimmt hier nicht?“
Mal zog er sich die Decke bis zur Nase, mal versteckte er sich ganz darunter. Zwischendurch schob er sie bis zum Bauchnabel herunter oder stand ganz auf. Ein Schluck kaltes Wasser konnte nicht schaden. Zwischendurch zählte er Schäfchen und versuchte, sich beim Blick aus dem Fenster neue Sternbilder auszudenken. Trotzdem war an Schlaf nicht zu denken.
Dem Captain wurde es zu viel. „Mir wird das jetzt zu bunt. Ich muss zur Brücke. Irgendwas ist hier faul und stinkt zum Himmel. Das kann ich förmlich riechen und auch spüren.“
Er zog sich seine Uniform über, schlüpfte in seine Stiefel und stand ein paar Minuten später im Turbolift, der ihn direkt in die Kommandozentrale bringen sollte. Während er in der kleinen Kabine stand, stieg ihm ein unangenehmer Geruch in die Nase. „Mist. Ich habe vergessen, mein Deospray zu benutzen. Hoffentlich fällt das niemandem auf.“
Die Tür öffnete sich zischend. Scott Schimpanse stieg aus. Wieder einmal war er vom grandiosen Anblick begeistert, der sich ihm auf dem übergroßen Hauptschirm an der Wand bot. Aktuell wurde ihm fast alles geboten, vom Sternenmeer das aus lauter weißen Punkten bestand, bis zu einem bunten Nebel, der aus allen Farben des sichtbaren Spektrums zu bestehen schien. „Irgendwann werde ich meine Chance nutzen, wenn gerade niemand hinschaut, und das Ding abschrauben. So einen großen Flatscreen hat garantiert kein anderer Captain in seiner Kabine. Wie genial muss das sein, wenn man sich darauf die Spiele der galaktischen Fußballliga anschaut?“
Kurz schweiften seine Gedanken ab, bis die Stimme seiner Pilotin an sein Ohr drang. „Ist alles in Ordnung, Captain?“
Scott Schimpanse wurde ins Hier und Jetzt zurückgezerrt. Er griff an den Saum seiner Uniform und zog sie sich reflexartig glatt, was er aus einer uralten Science Fiction Serie übernommen hatte. Irgendwie hatte diese Geste etwas Erhabenes.
„Captain?“ Die Rothaarige, die eindeutig aus dem Volk der Orang Utans stammte, stand auf und ging auf ihn zu. „Ihre Schicht beginnt erst in …“ Sie blickte auf den Chronometer unterhalb des Hauptschirms. „… in sechs Stunden, wenn ich mich nicht irre.“
„Ich … ähm … also …“ Was sollte er sagen, ohne dass es komisch oder seltsam klang? „Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich konnte nicht schlafen. Mein Gespür sagt mir, dass irgendwas an Bord faul ist. Als Captain hat man dafür einfach ein Näschen. Das können sie Lieutnant natürlich noch nicht nachvollziehen. Eventuell mein Stellvertreter, aber der ist nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte.“
Er blickte zum Sessel in der Brückenmitte, auf dem ein Bonobo saß, dessen Blick sich sofort verfinsterte. „Was soll das denn heißen? Ist das jetzt etwa meine Schuld? Sie waren es doch, der mir die Streichhölzer weggenommen hat. Deswegen kann ich die Kerze gar nicht anzünden.“
Der Captain schloss kurz die Augen rieb mit Daumen und Zeigefinger einer Hand darüber und schüttelte anschließend den Kopf. „Mit Recht hab ich das getan, mit Recht.“
Er hob den Kopf etwas an, schnupperte. Da war doch etwas. „Jetzt weiß ich es. Hier stinkt nicht nur im übertragenen Sinne etwas. hier stinkt es tatsächlich. Merkt das denn niemand?“
Sein Stellvertreter verneinte es. „Ich hab seit einer Woche Schnupfen. Ich kann eh nichts riechen.“ Um seine Aussage zu bekräftigen, holte er ein Taschentuch hervor, dass er im Ärmel seiner Uniform versteckt hatte und schnäuzte so laut hinein, dass das ganze Raumschiff zu zittern begann.
„Es riecht wie … wie …“ Der Captain kannte diesen Geruch, suchte aber noch nach den richtigen Verbindungen in den Synapsen seines Gehirns. „So hat es letztens gestunken, als ich eine vergammelte Orange unter dem Sofa in meiner Kabine gefunden habe.“ Sein Blick verfinsterte sich. „Der Gestank hat sich aber auf meine Kabine beschränkt und sich nicht im ganzen Schiff verteilt. Da muss mehr dahinterstecken. Wir müssen der Sache auf den Grund gehen.“ Er blickte die Offiziere an, die auf der Brücke Dienst taten. „Durchkämmt sofort das Schiff. Hier geht etwas vor sich.“
Ein diabolisches Lachen erfüllte den Lagerraum. Schon seit Monaten hatte ihn kein Affe mehr betreten. Seit die Außenhülle an dieser Stelle im letzten Ionensturm beschädigt und sich der hier sonst lagernde Vorrat an Toilettenpapier ins All verabschiedet hatte, gab es keinen Grund mehr, diesen langen Fußweg auf sich zu nehmen. So hatte auch niemand bemerkt, dass seitdem kosmische Strahlung in kleinen Dosen durch den Schutzschirm eingedrungen war.
„Liebe Freunde.“, war eine Stimme zu hören, deren Sprecher sich irgendwo zwischen ein paar leeren Containern befand. „Es ist an der zeit, dass wir aus unserer Deckung kommen, dass wir uns erheben und gegen die Tyrannei der Affen erheben. Viel zu lange haben wir es geduldet, dass sie auf unseren Nasen herumtanzen und mit uns gemacht haben, was sie wollten. Das muss hier und jetzt ein Ende haben. Make Obst Great Again.“
Obst? Ja, du hast du tatsächlich richtig gehört. Hättest du einen Blick um die Ecke geworfen, hättest du sie gesehen. Inmitten einer Früchtegruppe stand eine große, fette Orange, auf deren Haupt sich bereits Schimmel gebildet hatte, der wie eine wilde Frisur aussah. Es war mehr als deutlich, dass sie schon bessere Zeiten gehabt hatte und schon lange ihr Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hatte. Während ein paar Fruchtfliegen um sie herumschwirrten, blitzte es immer wieder in ihren Augen gefährlich auf Reihen. Jedes Wort, das sie sprach, meinte sie offenbar ernst.
“Es ist an der Zeit, dass wir das Schiff erobern, die macht übernehmen und dafür sorgen, dass die Affen vor die Tür gesetzt werden. Holen wir uns unser Schiff wieder zurück.“
Die Menge jubelte laut. Fahnen mit der Abkürzung MOGA wurden geschwenkt und Pappschilder mit dem Konterfei der Orange hochgehalten.
„Wenn ihr mir zur Seite steht, mir euer Vertrauen aussprecht, ihr mich zu eurem Präsidenten wählt, dann werden wir schon bald zu neuer Macht kommen. Wir werden mehr und mehr Anhänger finden und die Flotte überrollen. Wir werden ein eigenes Imperium gründen und die Affen für immer aus dieser Galaxie vertreiben.“
Applaus brandete auf. Das Obst war bereit, eine Revolution zu beginnen. Große Melonen brachten sich in Stellung, jeden Angreifer zu überrollen. Grapefruits griffen zu Bananen, um mit ihnen jeden Gegner in die Flucht zu schlagen. Es konnte einfach nichts mehr schief gehen.
“Wohl an, meine Freunde. Auf in die Schlacht. Zeigen wir den Affen, wer der neue Herr im Raumschiff ist.“
In diesem Moment öffnete sich das Schott zum Lagerraum. Captain Scott Schimpanse stürmte herein. Seinen Kopf hatte er weit angehoben. Seine Nase folgte dem üblen, faulig süßen Gestank, der hier besonders stark in der Luft hing. „Hier muss es sein. Hier ist die Quelle des Geruchs. Da bin ich mir ganz sicher.“
Die alte Orange erschrak. „Wir wurden entdeckt. Jemand muss uns verraten haben. Geht sofort zum Angriff über.“
Doch dann ging alles unheimlich schnell. Scott Schimpanse, der noch immer den Blick nach oben gerichtet hatte, trat auf die alte Orange, die in ihrem Innersten bereits nur noch aus ekligem Matsch bestand und zerquetschte sie unter seinem Stiefel. Er rutschte aus, stürzte zu Boden und fegte dabei die völlig überraschte Obstarmee beiseite. Die Revolution war vorbei, bevor sie überhaupt begonnen hatte.
„Boah, wie eklig. Hier wurde schon länger nicht mehr sauber gemacht.“ Der Captain drehte sich zu seinem Stellvertreter um. „Weisen sie sofort den Reinigungstrupp an. Hier gibt es mehr als genug Arbeit. Und dann bestellen sie neues, frisches Obst. Dieses hier scheint mir völlig ungenießbar. Wenn ich mir allein diese alte Orange anschaue, bin ich mir, dass sie jedem von uns den Magen verderben wird. Außerdem …“ Scott Schimpanse wischte sich die zermatschten Reste der Zitrusfrucht von der Uniform. „… Wer hat überhaupt Orangen an Bord genommen? Ich habe ausdrücklich befohlen, dass dieses widerliche Obst nichts an Bord meines Schiffes zu suchen hat. ich finde sie einfach nur eklig.“
(c) 2024, Marco Wittler
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