Santa Claus ist spät dran
Santa Claus fluchte und schimpfte. Schon den ganzen Tag über ging alles schief, was nur schief gehen konnte. Dabei war doch heute Weihnachten.
Alles hatte mit dem diesjährigen Flugplan begonnen. Die Wichtel wollten es dieses Mal ganz modern machen und hatten den Schlitten mit einem Navigationssystem ausgestattet, doch noch vor dem Abflug hatte es seinen Geist aufgegeben. In der Eiseskälte des Nordpols hatte nach nur wenigen Minuten der Akku gestreikt. Also hatte Misses Claus noch ganz schnell den alten Flugplan per Hand schreiben müssen.
Kaum war Santa aufgebrochen, hatte es einen Anruf gegeben. Ein kleines Geschenk war zunächst unbemerkt in den Werkstätten zurückgeblieben. Nicht auszudenken, welche Folgen das gehabt hätte. Ein unglückliches Kind am Weihnachtsmorgen. Eine totale Katastrophe. Also waren er und die Rentiere noch einmal zurückgekehrt.
„Und dann dieser nervige Stau.“ Nicht nur am Boden, auch in der Luft darüber hatten sich unzählige Pinguine getummelt, die auf dem Weg zu ihren Familien waren. Auch diese flugunfähigen Vögel verbrachten die Feiertage bei ihren Familien. „Von wegen flugunfähig.“, beschwerte sich Santa Claus. „Die benutzen Heißluftballons. War gar nicht so einfach daran vorbeizukommen. Das hat uns Stunden gekostet.“
Das dichte Schneetreiben tat sein Übriges. Man konnte weder Hand noch Huf vor den eigenen Augen sehen. In regelmäßigen Abständen kam der Schlitten vom Kurs ab. Die üblichen Orientierungspunkte am Boden waren nur selten bis gar nicht zu erkennen.
Santa warf immer wieder einen nervösen Blick auf seine Uhr. Der Zeitplan war unmöglich zu schaffen. Die letzten Geschenke würde er erst nach Sonnenaufgang, erst nachdem die Kinder aufgestanden waren, zustellen können. Er würde ihnen unweigerlich in die Arme laufen. Das hatte es in den vielen Jahrhunderten, die er seinen Job schon machte, noch kein einziges Mal gegeben.
„Hast du nicht irgendeine Idee, wie wir die Zeit wieder reinholen können, Rudolph?“
Das Rentier lachte und nickte. „Ich habe mich schon gewundert, weil du nicht schon längst gefragt hast.“
Ohne sich weiter zu erklären, zog er den Schlitten herum und steuerte auf etwas zu, dass man nur als dunklen Schatten in einer Wolke aus Schneeflocken erkennen konnte.
„Jetzt alles festhalten. Ab geht die wilde Fahrt.“
Vor dem Schlitten tauchten die mächtigen Rotorblätter einer Windkraftanlage auf, die sich im Sturm kräftig drehten. Rudolph klemmte sich mit seinem Geweih an eines, wurde mit hoher Geschwindigkeit erfasst, einmal im Kreis gedreht und mit großer Wucht davon geschleudert. Der Schlitten mit Santa Claus und dem Geschenkesack folgte ihm.
„Wuhuuu!“, jubelten sie laut. „Jetzt sind wir so schnell, dass wir sogar noch vor dem Zeitplan ankommen werden. Das war eine grandiose Idee.“
(c) 2024, Marco Wittler
Antworten