1695. N.C.I.S. Katze – Spuckalarm?

N.C.I.S. Katze – Spuckalarm?

Ding!
Die Tür des Fahrstuhls öffnete sich im obersten Stockwerk des Leuchtturms. Wer sich an diesem Ort die Zeit nahm, um einmal aus der großen Fensterfront nach draußen zu schauen, konnte die einzigartige Schönheit des Meeres nicht nur betrachten, sondern in vollen Zügen genießen. Für Special Agent Atheno Grips galt das allerdings nicht. Er arbeitete in diesem Büro seit einer gefühlten Ewigkeit und kannte jede Welle, jeden Felsen im Wasser und jedes Sandkörnchen am Strand beim Vornamen. Zumindest würde er das behaupten, wenn man ihn fragen würde.
Statt also kurz nach draußen zu blicken, ging der schlanke Bengalkater auf direktem Wege zu seinem Schreibtisch und stellte seinen frisch gekochten Katzengrastee darauf ab. Hätte er sich dieses Mal die Zeit für das Meer genommen, wäre ihm etwas aufgefallen, worauf er besser sofort reagiert hätte.
»Wie ist die aktuelle Lage?«, fragte Grips in die Runde. Zwei Mitglieder seines Ermittlerteams standen auf, wühlten in Akten und losen Blättern, blickten zu Kalender und zuckten beinahe zeitgleich mit den Schultern.
»Die Lage ist ruhig.«, antworte Tony DiNase, ein rot getigerter Kater.
»Es gibt keinen einzigen Fall und Notlagen sind ebenfalls keine in Sicht.«, ergänzte Tim McKatze, ein weißgrauer Kater. »Wir haben anscheinend einen ruhigen Bürotag vor uns, an dem wir den liegen gebliebenen Schreibkram erledigen können. Darauf freue ich mich schon seit einer ganzen Woche.«
Während Tim in freudiger Erwartung zum Bleistift griff und sich ein leeres Blatt Papier bereitlegte, verdrehte Tony die Augen und pfiff leise genervt. »Tim, mein junger Freund.«, flüsterte er seinem Gegenüber zu. »Kannst du nicht einmal deine Klappe halten? Warum sollten wir den schönen Tag nicht einfach mal mit faul sein verbringen und die Pfoten hochlegen? Warum musst du für unnötige Arbeit sorgen?«
»Weil er ganz genau weiß, dass sich die Arbeit nicht von allein erledigt.« Grips, der mit seinen messerscharfen Sinnen nicht nur besonders scharf sehen konnte, verfügte anscheinend auch noch über ein sehr ausgeprägtes Gehör. Man sagte ihm nach, dass er sogar in einem lauten Punkrock Konzert eine Stecknadel fallen hören konnte.
»Ach, ähm, also …« Tony begann zu stottern. »Boss, so war das gar nicht gemeint.«
»Wie war es denn dann gemeint, Tony? Klär mich bitte auf.«
Tony lächelte verlegen. »Natürlich werden wir uns um den Schreibkram kümmern, schließlich ist der überaus wichtig und wird später auch ganz bestimmt mal gebraucht. So lästig ist er auch gar nicht.« Er setzte sich auf seinen Sessel und griff nun ebenfalls zum Bleifstift, den er aber nicht richtig zu packen bekam und auf den Boden fiel. »Und wenn ich erst herausgefunden habe, wie man mit einer kleinen Katzenpfote diese verdammten Dinger ordentlich halten kann, fange ich sofort an zu schreiben. Versprochen Boss.«
Auf Grips Schreibtisch rappelte das Dosentelefon unruhig hin und her. Das tat es eigentlich bei jedem Anruf, doch dieses Mal schien es, als würde es bald vor Ungeduld aus seiner Halterung springen. Der Kater griff zur Dose, straffte das Band, das in den Boden geknotet war und hielt sie sich an sein rechtes Ohr. »Hier spricht N.C.I.S Special Agent Grips. Was gibt es?« Während er zuhörte, worum es ging, verfinsterte sich sein Blick und er wurde immer ernster. Schließlich hängte er die Dose zurück in ihre Halterung und stand aus seinem Sessel auf. »Packt euer Zeug und kommt mit. Es gibt Arbeit für uns. Ich kann euch jetzt schon versprechen, dass es alles andere als schön wird. Ich bin mir sogar sicher, dass ihr es hassen werdet.« Ohne ein weiteres Wort lief er zum Aufzug, der sich kurz vor seiner Nase zu beiden Seiten öffnete.
Das Team hatte es nicht weit. Ihr Weg führte sie aus dem Leuchtturm heraus und bis zur Hafenkante, von der ein einfahrendes Segelschiff nur noch wenige Meter entfernt war.
»Rotz und Wasser.«, sagte Grips abfällig und bekam einen grimmigen Gesichtsausdruck.
»Hä?« Tony sah ihn fragend an. »Bist du gerührt, dass du gleich zu weinen beginnst?«
Grips schüttelte den Kopf und zeigte auf den Rumpf des Schiffs. In großen, goldenen Buchstaben stand dort ROTZ UND WASSER geschrieben und war damit der Name dieses Gefährts. »Und am Steuerrad steht kein geringerer, als Lionel Llama, besser bekannt als der Peruaner, mein Erzfeind.«
Llama hob die Hand und lachte. »Agent Grips, so sieht man sich wieder.« Die Stimme gehörte einem groß gewachsenen Lama mit plüschigem Fell, dass eindeutig darüber hinwegtäuschte, dass sich hinter dieser Fassade ein Verbrecher versteckte.
»Es heißt immer noch Special Agent.«, knurrte der Bengale zurück. »Was verschafft mir die zweifelhafte Ehre. Zum Spaß oder für den Austausch von Nettigkeiten, bist du bestimmt nicht den weiten Weg hierher gekommen. Was willst du?«
Llama machte ein Gesicht, als fühle er sich gekränkt. »Darf man nicht mal mehr einen guten, alten Freund in der Ferne einen Besuch abstatten? Ich dachte, der große Atheno Grips wäre alles mögliche, nur nicht so nachtragend.« Er lachte laut auf.
»Lasst euch nicht von ihm einwickeln.«, flüsterte der Bengale Tim und Tony zu. »Er spielt ein falsches Spiel. Man darf ihm nicht vertrauen. Vor allem sollte man in seiner Gegenwart immer eine Sonnenbrille tragen.« Damit griff er in die Brusttasche seiner Dienstjacke und holte eine solche daraus hervor.
»Mit den Sonnenbrillen werden wir auf jeden Fall cooler aussehen.«, war Tony begeistert.
»Ich bin mir aber nicht sicher, ob wir ihn mit Coolness in die Flucht schlagen können.«, wandte Tim ein.
Flatsch!
Tony hatte zu lange mit seiner Sonnenbrille gezögert. Ein dicker Tropfen Spucke traf ihn direkt ins Auge. »Verdammt! Bist du nicht ganz bei Trost? Du kannst mir doch nicht ins Gesicht spucken. Was stimmt denn nicht mir dir?«
Flatsch!
Er kassierte einen weiteren Treffer ,der ihn dazu veranlasste, sofort seine Sonnenbrille aus der Tasche zu holen und das Weite zu suchen.
Flatsch! Flatsch!
Nun ging es gegen Tim und Grips. Die Angriffe folgten immer schneller aufeinander. Die Special Agents hatten kaum eine Chance, trocken in Deckung zu gehen, geschweige sich zu wehren.
»Endlich wird die Rechnung beglichen, die du noch bei mir offen hast.«, tönte Lionel Llama so laut, dass er im ganzen Hafen zu hören war. »Die Rache ist mein.«
»Was meint er damit?«, wollte Tim wissen.
»Ich habe ihn vor einer halben Ewigkeit hinter Gittern gebracht. Er überfiel damals eine Bank, spuckte sich den Weg zum Tresor frei und stahl ein großes Vermögen. Ich hatte einfach nur Glück, dass ich gerade von einem Tauchkurs zurückkam und noch im Neoprenanzug steckte. Er kam einfach nicht gegen mich an.«
Diee Special Agents sahen kurz auf und blickten über die Bank hinweg, hinter der sie Schutz gesucht hatten, als die nächste Spuckesalve nur knapp über ihren Köpfen hinwegfegte.
»Wir müssen etwas unternehmen, Boss.«, sagte Tim. »Ich glaube nicht, dass er so einfach aufgeben wird. Er hat gerade einen Kanister Wasser getrunken. Da ist noch viel Munition für die nächsten Stunden.«
»Wenn ich nur an meinen Neoprenanzug käme.«
Die Tür zum Leuchtturm öffnete sich. Abby Schnuto, die Kriminaltechnikerin des N.C.I.S. kam heraus und zog die Spuckeattacken sofort auf sich. Doch damit hatte sie bereits gerechnet. Sie stand hinter einem tragbaren Schutzschild aus durchsichtigem Material, den sie langsam mit einer Pfote vor sich her trug. »Lionel Llama, ich fordere dich hiermit heraus!«
»Ha!« Er lachte laut. »Du glaubst doch nicht etwa, dass ich mich vor einer kleinen Katze fürchte. Es gibt absolut nichts, in dem du mir ebenbürtig sein oder mich besiegen könntest.«
Abby holte eine Schüssel hinter ihrem Rücken hervor, die sie mit der anderen Pfote hielt. Darin lagen frisch gepflückte, tiefrote Kirschen, die sie tags zuvor gepflückt und am Morgen mit zur Arbeit gebracht hatte. »Kirschkern-Weitspucken. Traust du dich etwa nicht?«
Llama schnaubte verächtlich. »Niemand spuckt so gut wie ein Lama. Wie lauten deine Bedingungen?«
»Wer als erstes von einem Kirschkern getroffen wird, scheidet augenblicklich aus dem Wettkampf aus. Es gibt keine Wiederholungen oder Best Of Three. Der Verlierer räumt das Feld und wird dem anderen nie wieder auf die Nerven gehen.«
»Ich nehme an. Wann und wo?«
Abby legte den Kopf in den Nacken, lachte glucksend und zeigte ihre scharfen Krallen. »Hier und Jetzt. Attacke!«
Beherzt griff sie in die Kirschen hinein, machte sich die Pfote voll und stopfte sich die süßen Früchte in den Mund. Kaum eine Sekunde später rasten dem Lama die Kerne entgegen und trafen einer nach dem anderen den Punkt zwischen seinen Augen.
»Au! Autsch! Verdammt! Was soll denn das? Ich habe noch gar keine Kirschen. Das ist unfair!«
Abby beendete den Beschuss. »Erzähl mir nichts von Fairness. Wer meine Kollegen ohne Vorwarnung angreift und bespuckt, hat keine Ahnung, was Fairness überhaupt bedeutet.« Sie legte Schüssel und Schutzschild auf den Boden und stemmte ihre Pfoten in die Hüften. »Du hast verloren Lionel Llama. Jetzt ist es an der Zeit, von hier zu verschwinden.«
Llama schnaubte und machte ein grimmiges Gesicht. »Für heute hat der N.C.I.S. gewonnen. Aber bildet euch nicht ein, dass ich diese Niederlage unwidersprochen akzeptieren werde. Wir werden uns wiedersehen. Vielleicht nicht hier, vielleicht nicht in den nächsten Tagen, aber spätestens dann, wenn ihr es am wenigsten erwartet.«
Er setzte die Segel und fuhr auf direktem Wege aus dem Hafenbecken hinaus.

(c) 2025, Marco Wittler

Unser Score
Klicke, um diesen Beitrag zu bewerten!
[Gesamt: 0 Durchschnitt: 0]

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*