494. Das erste Herbstlaub

Das erste Herbstlaub

Der Sommer war vorbei. Die Tage wurden wieder kürzer, das Wetter kalt und nass. Nur hin und wieder schien die Sonne und wärmte die Erde unter sich ein wenig auf.
Während die Menschen wegen des schlechten Wetters immer mehr ihre gute Laune verloren, ging es den Blättern an den Bäumen viel besser. Sie bekamen nach den langen, trockenen Monaten endlich wieder genug Wasser, um wachsen zu können. Nur eines von ihnen war traurig.
»Schaut euch doch nur die Menschen an.« sagte es zu den anderen.
»Sie wissen, dass bald der Winter kommt, es kalt wird und die Sonne kaum noch scheinen wird. Deswegen lachen sie gar nicht mehr. Sie verstecken sich nur noch in dicken Jacken und lassen den Mund hängen. Es wäre doch schön, wenn wir daran etwas verändern könnten.«
Der Meinung waren alle anderen Blätter auch. Und so beschlossen sie in der nächsten Nacht, ihr grünes Kleid abzulegen. Darunter waren sie fast so bunt wie ein Regenbogen. Sie ließen sich von ihren Bäumen zu Boden fallen und bedeckten die ganze Erde mit ihrer Farbenpracht.
Als die Menschen am Morgen vor die Türen traten, wollten sie ihren Augen nicht glauben. Die Welt war schön, auch ohne Sommer.
Mit breitem Grinsen liefen sie durch das bunte Blättermeer und lachten laut vor Freude. Die Blätter waren mit ihrer Idee so zufrieden, dass sie von nun an jeden Herbst ihre Farbe wechselten.

(c) 2014, Marco Wittler

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