1582. Ritter Anton von Burg Suppenkelle

Ritter Anton von Burg Suppenkelle

Der Morgen brach an. Hinter dem Horizont tauchten erste Sonnenstrahlen auf, die mit ihren Spitzen bis zur dichten Wolkendecke reichten und diese in ein kräftiges Orange tauchten. Nur Minuten später schob sich eine hell leuchtende Scheibe über die grün bewachsenen Hügel der Umgebung.
Im Innenhof einer kleinen Burg begann ein Wecker leise zu klingeln. Gähnend öffnete ein Hahn seine Augen, streckte seine Flügel aus und bestieg den Misthaufen, der sich neben ihm befand. Er räusperte sich, holte ein Notenblatt aus seiner Tasche und begann so laut zu krähen, dass im ganzen Gebäude die Fenster wackelten.
Im Turm wurde eines von ihnen geöffnet. Das müde Gesicht eines weißgrauen Katers kam zum Vorschein. Er rieb sich die kleinen Augen und blickte in den Hof hinab. »Ist es echt schon Zeit? Muss ich aufstehen? Ich dachte, ich könnte noch etwas liegenbleiben.«
Der Hahn schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall. Wenn du dich nicht sofort auf den Weg machst, wird nichts aus unserem Frühstück.«
Der Kater seufzte und nickte. Er zog sich in sein Gemach zurück, griff zur Suppenkelle und setzte sie sich auf den Kopf. »Ritter Anton ist bereit. Man möge mir mein treues Reittier vorbereiten.« Er lief die Stufen einer langen Wendeltreppe hinab, trat durch eine schwere, knarzende Tür ins Freie und nahm auf dem Rücken eines großen, schwarzen Katers Platz, der schon fertig gesattelt wartete. »Auf in die Schlacht.«
Gemeinsam verließen sie die Burg und stürmten los.
Zu gern hätte Anton Zeit gespart, wäre einfach auf direktem Weg losgeritten. Er hasste es nämlich, sich zu verstecken. Er war schließlich ein tapferer Ritter, der vor nichts Angst hatte. Doch die letzten Male waren sie bei ihren Raubzügen immer entdeckt worden. Also lenkte Anton seinen Reitkater durch grünes Dickicht, vorbei an Bäumen und Büschen, bis sie ihr Ziel erreicht hatten.
Am Ziel angekommen, stieg der Ritter ab, nahm die Suppenkelle ab und ließ sie siegesgewiss mehrmals über seinem Kopf kreisen.
»Jetzt kann uns nichts mehr aufhalten. Wir haben gesiegt.«
In diesem Moment kam eine Menschenfrau in die Küche, erblickte die beiden Kater und schüttelte genervt den Kopf. »Musst du eigentlich jeden Morgen so ein Theater veranstalten, Anton? Ihr werdet euer Futter schon bekommen, keine Angst. Bei mir ist noch keine Katze verhungert.« Sie stellte mehrere kleine Schüsseln auf den Boden, aus denen die Kater gierig zu fressen begannen.

(c) 2024, Marco Wittler

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