1583. Gartenpiraten

Gartenpiraten

Im Garten war es still. Nur das Zirpen einiger Grillen im nahen Wald war in dieser ungewöhnlich milden Osternacht zu vernehmen. Alle anderen Menschen und Tiere schliefen tief und fest in ihren Betten. Nur in im Fenster eines kleinen,roten Holzhauses, das mitten auf einer Wiese im Garten stand, glomm das Licht eines Glühwürmchens.
»Heute ist die Nacht der Nächte.« Ein großer Teddybär, dessen rechtes Auge nur aus einem großen, aufgenähten Knopf bestand, hob seinen Blick von einer alten Karte, drehte sich herum und blickte auf seine Mannschaft, die ausschließlich aus Plüschtieren bestand. »Heute werden wir Geschichte schreiben, meine Freunde. Wir werden die ersten Piraten sein, die diese mythische Sagengestalt stellen. Also haltet eure Augen auf. Wir dürfen die Prinzessin nicht enttäuschen.«
Sie legten sich auf die Lauer, löschten das Licht des Glühwürmchens und warteten.
Es dauerte. Die Nacht zog sich quälend langsam dahin. Nichts geschah. Manch einem der Freibeuter fielen immer wieder die Augen zu. Sie wurden müde. Nur der Gedanke an die Prinzessin konnte sie wach halten.
Und dann war da plötzlich ein Schatten. »Es ist so weit.« Käpt’n Knopfbär gab das lang erwartete Kommando. Die Piraten sprangen in ihr kleines Schiff. Die Tore des roten Häuschens öffneten sich. Ein kräftiger Windstoß blies in die Segel und trieb das Schiff auf kleinen, quietschenden Rollen vor sich her.
»Bereit machen zum Entern!«
Der völlig überraschte Osterhase wusste nicht, wie ihm geschah. Vor Schreck ließ er seinen Sack mit leckeren Schokoladeneiern fallen, ergriff schreiend die Flucht und verschwand hinter einem dichten Busch.
»Das ging ja einfacher, als ich dachte.« Die Piraten sammelten ihre Beute ein und brachten sie in ihr Versteck. »Die Prinzessin wird sich freuen, wenn sie Morgen aus den Federn kriecht.«
Kurz darauf ging die Sonne auf, tauchte die Welt in ein warmes Licht und weckte mit ihrem ersten Sonnenstrahl ein kleines Mädchen.
»Ich muss sofort in den Garten. Ich muss in mein Schloss.« Es zog sich an, ignorierte Mama und Papa mit dem Frühstück in der Küche und lief nach draußen. Es stürmte auf das Gartenhäuschen zu, über dessen Türen ‚Paulas Schloss‘ geschrieben stand und warf einen Blick hinein.
Paula bekam große Augen. Ihre Kuscheltiere, die sie über Nacht hier zurückgelassen hatte, saßen auf einem großen Haufen Schokolade. Sie hatten tatsächlich den Osterhasen überlistet.
»Ich wusste doch, dass ich mich auf euch verlassen kann. Das machen wir jetzt jedes Jahr so. Dann muss ich mich nicht mit einem mickrigen Osternest begnügen.«
Paula grinste breit und begann zu kichern.

(c) 2024, Marco Wittler

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