495. Dem Verbrechen auf der Spur

Dem Verbrechen auf der Spur

Lena sah auf die an der Wand. So gerade eben konnte sie die Zeiger in der abendlichen Dämmerung erkennen.
»Viertel nach acht.« murmelte sie leise vor sich hin. »Jetzt fängt Mamas Film an.«
Sie legte die Decke zur Seite, die sie beim Gutenachtkuss von Mama bis zur Nasenspitze gezogen hatte. Das war auch gut gewesen, denn sonst hätte Mama bemerkt, dass Lena sich gar nicht umgezogen hatte.
Lena schlich zum Fenster, öffnete es und ahmte den Ruf einer Eule nach. Aus drei Richtungen bekam sofort ähnliche Antworten.
»Dann sind ja alle bereit.« Sie grinste und kletterte nach draußen.
»Schon praktisch, wenn man sein Zimmer im Erdgeschoss hat.« Dabei ging ein kurzer Gedanke zu ihrem Bruder, der ein Stockwerk höher schlief und nicht so einfach spät am Abend etwas unternehmen konnte.
Lena lief quer über die große Wiese, kletterte über einen Zaun und traf sich schließlich mit drei anderen Kindern auf einem Spielplatz in der Nähe.
»Hat ihn schon jemand entdeckt?« fragte sie in die Gesichter der anderen, aber Toni, Anna und Jonas schüttelten den Kopf.
»Dann haben wir es ja rechtzeitig geschafft.«
Die vier Kinder suchten sich einen großen Busch, unter dem sie sich gut verstecken konnten.
»Hoffentlich kommt er heute auch.« grummelte Toni leise. »Ich will nicht umsonst Ärger bekommen, wenn meine Mama sieht, dass ich nicht im Bett liege und schlafe.
Zum Glück dauerte es nur wenige Minuten, bis er kam, der Mann, auf den sie gewartet hatten. Der Mann, den seit einer ganzen Woche schon von ihren Fenstern aus beobachtet hatten.
»Und er läuft sogar in den gleichen Klamotten rum. Hat der nichts anderes in seinem Schrank?« Für Anna war das ein Ding der Unmöglichkeit. Sie zog sich aus Spaß gern drei Mal am Tag um.
»Grüne Gummistiefel, eine schmutzige Jeans und eine alte, dicke Jacke. Der Hut auf seinem Kopf ist auch nicht gerade modern.«
In diesem Moment nahm der Mann einen Rucksack vom Rücken. Er stellte ihn auf dem Boden ab, öffnete einen Reißverschluss und holte einen Klappspaten hervor. Damit hob er ein Loch aus und untersuchte gründlich das Stück Erde vor sich. Er stopfte etwas Kleines in ein Eimerchen und ging ein paar Meter weiter. Dort begann er erneut zu graben.
»Ich sag es euch, der Typ ist verrückt. Wer weiß, was der da sucht. Er ist bestimmt ein Mörder und sucht nach der Besten Stelle für sein Opfer.« war Jonas überzeugt.
Die Kinder gruselte es, wenn sie nur daran dachten.
»Wir müssen ihn irgendwie aufhalten. Nur wie?«
Lena holte ihr Handy aus der Hosentasche. »Ich rufe jetzt meinen Papa an. Der wird uns bestimmt helfen.«
Sie tippte die Telefonnummer ein, wartete, bis sich ihr Vater meldete und erklärte aufgeregt, worum es ging. Dann hörte sie ihm eine Weile zu, bis sie ganz rot im Gesicht wurde und auflegte.
»Was ist denn jetzt?« fragte Anna aufgeregt, weil Lena nichts sagte.
»Mein Papa hat kurz aus dem Fenster geschaut und dann gelacht. Das ist der alte Karl, ein Mann aus der Nachbarschaft. Den kennt hier wohl fast jeder. Jedenfalls sucht er jeden Abend nach Regenwürmern, die er dann zum Angeln benutzt. Das macht er schon seit über zwanzig Jahren.«
Die Kinder seufzten enttäuscht. Sie hatten doch kein Verbrechen aufgedeckt.
»Und er hat mir noch etwas gesagt. Wir sollen alle in unsere Betten verschwinden, sonst gibt es richtig viel Ärger.«
Jetzt gaben sie einen noch lauteren und größeren Seufzer von sich. Dann verabschiedeten sie sich voneinander und kletterten wieder in ihre Zimmer zurück.

(c) 2014, Marco Wittler

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