663. Der Nikolaus hat’s schwer

Der Nikolaus hat’s schwer

Der Nikolaus hat’s schwer. Obwohl – nein. Das stimmt so nicht ganz. Ich glaube viel mehr, dass es der Weihnachtsmann schwer hat. Denn der reist mit seinem vollgepackten Geschenkesack in seinem Schlitten um die ganze Welt und hat dafür nur eine Nacht Zeit.
Der Nikolaus hingegen hat es dafür so richtig, heftig schwer. Denn der hat keinen Schlitten. Stattdessen stapft er mit seinem dicken Winterstiefeln durch den tiefen Schnee.
Woher ich das alles weiß? Na, was denkst du denn wohl? Ich bin der Mond. Ich hänge fast jede Nacht am Himmel, beleuchte ein wenig die Welt unter mir und habe jede Menge Zeit, die Menschen zu beobachten – wenn sie nicht schlafen. Und sowohl der Weihnachtsmann, als auch der Nikolaus arbeiten in der Nacht.
Und nun ist es gerade wieder so weit. Es ist die Nacht zum 6. Dezember angebrochen. Die Menschen liegen schon eine ganze Weile schlafend in ihren Betten. Da sehe ich unter mir eine dicke Gestalt, die einen schweren Sack auf dem Rücken trägt. Das Gesicht ist hinter einem üppigen weißen Bart versteckt. Es ist der Nikolaus.
Ich schiebe die wenigen Wolken zur Seite, damit er in meinem Licht genug sehen kann. Er soll schließlich nicht gegen ein Schild oder eine Häuserecke laufen. Dann winke ich ihm freundlich zu, was er auch dieses Jahr nicht sieht. Er ist halt zu beschäftigt und viel zu sehr im Stress.
Der Nikolaus hält vor einem sehr hohen Haus. Es hat bestimmt zwanzig Stockwerke, vielleicht sogar mehr. Wäre es noch ein paar Meter höher, könnte es mich an der Nase kitzeln. Zum Glück kommt es aber nicht dazu. Ich würde bestimmt die ganze Nacht niesen.
Der Nikolaus schaut auf die Namen der Klingelschilder und vergleicht sie mit den Einträgen in seinem goldenen Buch. Ich höre ihn seufzen. Bestimmt muss er nach ganz oben. Das wird mächtig anstrengend.
Ich lasse mich etwas tiefer sinken, damit ich ihn durch ein paar Fenster weiter beobachten kann und sehe gerade noch, dass er mehrere Male auf den Knopf des Aufzugs gedrückt hat, welcher wohl gerade außer Betrieb ist. Der Nikolaus entscheidet sich für die Treppe und macht sich auf den Weg nach oben.
Jetzt wird es für mich schwer, alles mitzubekommen. Ich würde gern im Kreis um das Haus herum fliegen. Doch was sollen die Menschen von mir denken, die noch nicht schlafen, die arbeiten müssen? Schifffahrtskapitäne kämen außerdem vom Kurs ab. Das kann ich mir nicht erlauben. Also warte ich immer auf die kurzen Momente, wenn der Nikolaus an einem Fenster vorbei kommt.
An mehreren Türen macht er Halt, schaut dabei immer wieder in sein goldenes Buch. Lächelnd holt er dann eine kleine Leckerei aus seinem Sack und legt sie in die bereit gestellten Schuhe und Stiefel der artigen Kinder.
Die Zeit vergeht. Der Nikolaus kämpft sich weiter die Treppe hinauf, bis er schließlich ganz oben angekommen ist.
Oh, oh. Da fällt mir ein. Dass ich die Familie in diesem Stockwerk nur zu gut kenne. Hinter den dunklen Fenstern leben Max und Leni. Die Zwei sind wirklich sehr ungezogen und haben nur Blödsinn im Kopf. Sehr oft strecken sie mir die Zunge raus, wenn sie wieder mal nicht schlafen wollen. Dort wird es nichts in die Stiefel geben.
Der Nikolaus steht vor der Wohnungstür, liest wieder in seinem Buch und schüttelt den Kopf.
Ha! Ich hab es doch gewusst. Die Kinder bekommen nichts. Richtig so.
Doch was ist das? Der Nikolaus hat auf der kleinen Treppe zum Dach etwas entdeckt. Ein Paket. Wer das dort wohl abgestellt haben mag?
Huch! Das darf doch wohl nicht wahr sein. Der Nikolaus öffnet das Paket. Das wird doch wohl nicht für ihn gedacht sein? Obwohl – wieso eigentlich nicht? Er ist ein wirklich netter und großzügiger Mann. Er hat noch nie ein Geschenk bekommen. Wurde Zeit, dass sich das mal ändert.
Der Nikolaus holt etwas aus dem Paket hervor. Was es ist kann ich aber leider durch das Fenster nicht erkennen. Aber ich kann ganz eindeutig sehen, dass er vor Freude grinst und – was macht er denn jetzt? Nee, oder? Er holt tatsächlich ein paar Leckereien aus seinem Sack und stopft sie in die Stiefel von Max und Leni. Stammt das Geschenk etwa von diesen beiden Kindern?
Wer hätte das gedacht? Haben die Zwei doch eine gute Seite an sich. Ich bin wirklich überrascht. Vielleicht sollte ich die Kinder wieder öfter besuchen.
Während ich so nachdenke, kommt der Nikolaus aus dem Haus. Mit der einen Hand hält er den Sack am Rücken fest, in der anderen hält er einen Schlitten. Diesen stellt er im Schnee ab, legt den Sack darauf und zieht in munter hinter sich her.
Kaum zu glauben, aber nun ist er viel schneller unterwegs. Schon irre, was sich die Kinder aus dem obersten Stock haben einfallen lassen. Toll, toll, toll. Das gefällt sogar mir.
Dabei fällt mir ein, dass ich vorhin noch einen ganz anderen Gedanken in meinem großen Kopf hatte. Weißt du ihn noch?
Der Nikolaus hat es schwer. Doch dieses Jahr nicht mehr ganz so sehr. Woher ich das alles weiß? Na, weil ich der Mond bin und gerade erst gesehen habe, …
Aber das hast du ja selbst schon mitbekommen.

(c) 2018, Marco Wittler

Diese Geschichte gibt es noch einmal in einer etwas abgeänderten Version, aus der Sicht des Weihnachtsmanns. Diese findest du im Adventskalender der Familie aus Bamberg.

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