677. Der letzte Weihnachtsbaum

Der letzte Weihnachtsbaum

Papa war im Stress. Es war schon Heiligabend, und er musste noch ein paar wichtige Einkäufe erledigen. Wie in jedem Jahr hatte er das die letzten Wochen immer wieder vor sich her geschoben. Er hasste Weihnachtseinkäufe in der von Menschen völlig überfüllten Stadt.
Aber mittlerweile hatte er alles, was er brauchte, gefunden. Es fehlte nur noch eines: der Weihnachtsbaum.
Papa lief über den großen Marktplatz. Er wusste, dass in der Mitte, unter einer großen Laterne, jedes Jahr Bäume verkauft wurden.
Unter großem Keuchen und Schnaufen gelangte er an sein Ziel – und staunte nicht schlecht. Ein älterer Herr kaufte gerade ebenfalls einen Weihnachtsbaum. Es war allerdings nicht irgendeiner, es war der Letzte. Der Allerletzte.
»Feierabend!«, rief der Verkäufer Papa zu. »Ich fahre jetzt nach Hause. Ich muss noch meinen Baum schmücken.«
»Ja und was ist mit mir?«, war Papa verzweifelt. »Ich brauche doch auch noch einen Weihnachtsbaum. Was soll ich denn jetzt machen?«
Der Verkäufer zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Kommen sie halt nächstes Jahr wieder. Dann hab ich neue Bäume im Angebot. Dieses Mal wird das nichts mehr.«
Papa bekam Panik. Weihnachten ohne geschmückten Baum? Das würden ihm Mama und die Kinder niemals verzeihen. Schnell lief er zum Autor zurück und fuhr von einem Laden zum nächsten. Aber überall das Gleiche. Die Bäume waren ausverkauft.

Am Abend saß Mama mit den Kindern ungeduldig im Hausflur. Sie warteten alle nur auf Papa, der sich nach dem Abendessen noch umziehen wollte. Nur tauchte er einfach nicht mehr auf.
»Also, wenn der jetzt nicht bald kommt, fangen wir die Bescherung ohne ihn an.«, beschloss Mama verärgert.
Doch dann hörte sie Papas Stimme aus dem Wohnzimmer.
»Ihr könnt rein kommen.«, rief er.
»Hä?«, war Mama verwundert. Wir gehen doch sonst immer gemeinsam hinein.
Sie öffnete vorsichtig die Tür und sah ins Wohnzimmer. Als sie Papa entdeckte, wäre sie vor Überraschung beinahe umgekippt.
Papa stand in der Ecke, trug einen grünen Pullover und eine grüne Hose. Um seinen Körper herum hatte er eine Lichterkette gewickelt. Auf seinem Kopf steckte ein großer, goldener Stern.
»Ja … äh … also …«, stotterte er. »Ich habe leider keinen Weihnachtsbaum mehr bekommen. Der Letzte wurde mir vor der Nase weg gekauft. Deswegen bin ich dieses Jahr der Weihnachtsbaum.«
Er bekam einen roten Kopf.
Mama grinste und ging zu ihm rüber. »Du bist der beste und schönste Weihnachtsbaum, den ich mir vorstellen kann.«
Dann drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange.

(c) 2018, Marco Wittler

Unser Score
Klicke, um diesen Beitrag zu bewerten!
[Gesamt: 0 Durchschnitt: 0]

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*