762. Der Kürbis vor dem Haus

Der Kürbis vor dem Haus

Es war die Halloweennacht. In der ganzen Stadt machten kleine Gespenster, Monster und andere schreckliche Kreaturen die Straßen unsicher. An den Türen, die sich öffneten, ertönte lautes ‚Süßes oder Saures‘, wofür es in großer Menge Süßes und noch mehr Süßes gab. Nur von einem einzigen Haus hielten sich die umher wandernden Kinder fern.
»Los!«, sagte Max. »Lasst es uns da drüben versuchen.«, schlug er vor. »Ich habe gehört, dass da nie jemand klingelt. Da muss es noch Unmengen Süßkram geben. Den sollten wir uns holen.«
»Ähm…«, zögerte Hannah. »Ich weiß nicht so recht. Ich glaube nicht, dass das eine so gute Idee ist.«
Sofort pflichtete ihr Paul bei. »Ich hab heute Morgen in der Schule gehört, dass es in dem Haus und auf dem Grundstück spuken soll. Geister, Gespenster, Monster, Vampire und Zombies. Alles auf einmal. Wer durch das Gartentor geht, soll nicht mehr lebend auf den Gehweg zurückkommen.«
Hannah erschauerte. Es lief ihr eiskalt den Rücken herunter.
»Dann lasst uns doch einfach weiter gehen. Es gibt noch genug andere Häuser.«
Sie warf einen Blick in die Tasche, die an ihrem Arm herab hing.
»Ich hab es schon so viel Süßes. Ich glaube, da werde ich einen ganzen Monat dran futtern können.«
Max sah ebenfalls auf die Ausbeute und schüttelte danach den Kopf.
»Das reicht höchstens für ein Wochenende – wenn überhaupt. Wir gehen da jetzt hin.«
Er trat an das Gartentor heran, zögerte aber. Max traute sich nicht, nach der Klinke zu greifen.
»Du wolltest da rein.«, feuerte ihn Hannah ab. »Jetzt musst du auch zeigen, dass du kein Weichei bist.«
Max schluckte. Dann öffnete er aber das Tor und betrat zitternd das Grundstück. Er setzte erst den linken, dann den rechten Fuß auf den gepflasterten Weg, der durch den Rasen führte. Dann schloss er die Augen und wartete auf das Unvermeidliche.
Plötzlich passierte … nichts. Alles blieb ruhig. Es tauchten keine gruseligen Gestalten auf.
Max, der die letzten Sekunden die Luft angehalten hatten, atmete erleichtert aus. Dann drehte er sich zu seinen Freunden um.
»Seht ihr! Ich hab es euch doch gesagt. Hier ist es auch nicht anders als bei anderen Häusern. Ihr seid vielleicht Angsthasen.«
Langsam ging er weiter. Hannah und Paul folgten ihm. Sie betraten die Treppe, ein, zwei, drei Stufen. Dann standen sie auf einer großen Veranda, die mit allerlei Halloween Dekoration geschmückt war.
Und dann geschah doch etwas. Die Augen eines Kürbisses, der neben der Haustür auf einer großen Holzkiste stand, begannen zu leuchten. Aus dem Mund ertönte ein lautes, verrücktes Lachen und erschreckte die Kinder bis auf die Knochen.
»Hier spukt es doch! Weg hier!«, brüllte Max. »Nix wie weg!«
Er rannte den Gartenweg zurück, sprang über das mittlerweile zu gefallene Tor und verschwand um die nächste Ecke. Hannah und Paul taten es ihm gleich. Sekunden später war wieder Ruhe in dem schaurigen Garten eingekehrt. Die Veranda lag einsam und verlassen im fahlen Licht des Vollmonds.
Das schreckliche Lachen des Kürbisses war verklungen, sein Augenlicht erloschen.
Kurze Zeit später begann sich die Holzkiste unter ihm zu bewegen. Sie stieg empor und offenbarte ein Paar Beine unter sich. In ihr steckte ein Mensch, der nun grinsend Kürbis und Kiste neben sich abstellte.
»Geht doch nichts über einen lustigen Halloweenstreich.«, sagte er zufrieden zu sich selbst und ging ins Haus hinein.

(c) 2019, Marco Wittler

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