771. Wo sind meine Socken?

Wo sind meine Socken?

Lina saß in ihrem Zimmer auf dem Fußboden und war von einem Berg Socken umgeben. Eine nach der anderen zog sie aus einer Schublade und warf sie von sich. Dabei ärgerte sie sich so sehr, dass ihr Gesicht schon rot angelaufen war.
»Die ist für den linken Fuß, die auch, die für rechts, wieder links und nochmal rechts.«
Es waren tatsächlich Socken für beide Füße vorhanden, aber niemals passten zwei von ihnen farblich zusammen. Eine Socke fehlte immer.
»Papa!«, rief Lina frustriert. »Ich habe keine Socken mehr, die ich anziehen kann.«
Papa kam ein paar Sekunden später ins Kinderzimmer und sah sofort das Chaos, in dem seine Tochter saß.
»Wie?«, fragte er. »Ist der Sockenberg denn nicht groß genug? Zieh einfach welche an.«
Lina verdrehte die Augen. »Das weiß ich auch, dass hier genug Socken liegen. Aber die passen alle nicht zueinander. Ich habe keine zwei Gleichen mehr. Von jedem Paar ist eine verschwunden.«
Papa schüttelte den Kopf. »Seltsam. Das kann doch gar nicht sein.«
Er setzte sich auf den Boden und wühlte selbst durch den Haufen, konnte aber auch nichts finden.
»Irgendwo müssen die doch geblieben sein. Socken verschwinden nicht einfach so. Es bricht doch keiner bei uns ein, nur um Socken zu stehlen. Das macht doch keinen Sinn.«
Er stand wieder auf und machte sich auf die Suche.
Als erstes sah Papa im Keller nach. Er blickte hinter und in die Waschmaschine, machten beim Trockner weiter und ließ auch den Wäscheständer nicht aus. Nichts.
Auch unter der Wäscheleine im Garten und den umliegenden Büschen und Bäumen war nichts zu finden.
Papa machte im Haus weiter. Nun nahm er Orte unter die Lupe, an denen Socken normalerweise nicht zu finden waren. Die Küche, das Schlafzimmer die Vorratskammer, den Flur, den Stauraum unter der Treppe. Jede Ecke, in der man etwas verstauen konnte, hinter jeder Schranktür sah er nach. Die verschwundenen Socken tauchten nicht wieder auf.
»Ich kann das echt nicht verstehen. Das ist, als hätte sie jemand aufgefressen.«
Papa strich sich mit der Hand durch die mittlerweile zerzausten Haare und wollte sich gerade aufs Sofa setzen. In diesem Moment flitzte die kleine Katze der Familie durch seine Beine unter das Sitzmöbel und fauchte ein paar Mal.
»Was ist denn mit dir los, kleiner Zwerg?«, wunderte sich Papa. »Du machst doch sonst nicht so einen Lärm.«
Er bückte sich, warf einen Blick unter das Sofa und wunderte sich.
»Das darf doch nicht wahr sein.«
Unter dem Sofa befand sich eine große Menge Socken, die von allen Familienmitgliedern stammten. Die kleine Katze hatte sie wohl in den letzten Wochen stibitzt und hier versteckt.
»Hast dir da aber ein feines Kuschelnest gebaut.«, sagte Papa grinsend.
Dann ging er zurück ins Kinderzimmer.
»Leni, zieh dir was an die Füße, meinetwegen auch zwei Socken, die nicht zueinander passen. Wir fahren jetzt in die Stadt und kaufen Neue. Die alten werden unterm Sofa gebraucht.

(c) 2019, Marco Wittler

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