808. Schreie

Schreie

Elli saß bei Oma im Wohnzimmer und aß ein großes, dickes Stück Kuchen mit einer noch größeren Portion Schlagsahne. Bei jedem Bissen, den sie sich in den Mund schob, grinste sie breit.
»Bei Mama darf ich nie ein Stück Kuchen komplett mit Sahne bedecken. Die sagt immer, dass wäre viel zu viel. Dabei schmeckt Sahne so toll. die könnte ich auch ganz ohne Kuchen essen.«
Ein weiteres Stück verschwand in Ellis Mund, auf dem sie genüsslich kaute. Noch bevor sie Schlucken konnte, hörte sie einen leisen Schrei, der aus dem Garten zu kommen schien.
Fast hätte sich Elli an ihrem Kuchen mit Sahne verschluckt. Schnell kaute sie weiter, schluckte den Bissen runter und sah sich um. Da war der Schrei aber schon wieder verstummt.
»Was war denn das?«
Oma sah sich verwirrt um und zuckte mit den Schultern.
»Was meinst du denn? Ich habe nicht gehört und nichts gesehen.«
Sicherheitshalber kontrollierte Oma ihre Hörgeräte. Die waren aber eingeschaltet.
Es ertönte ein weiterer Schrei, dieses Mal nur etwas lauter.
»Da ist es wieder.«, sagte Elli.
»Jetzt höre ich es auch.«, antwortete Oma und sah sich unsicher um.
Die Schreie hörten auf. Stattdessen war nun leises Gemurmel mehrerer Stimmen zu hören.
»Wer ist denn da im Garten?«, fragte sich Oma, denn zu sehen war niemand.
»Schauen wir nach?«, wollte Elli wissen.
»Nein. Wir sagen Opa Bescheid. Allein gehen wir nicht da raus. Es könnten zwielichtige Gestalten im Garten ihr Unwesen treiben.«
Opa ließ nicht lange auf sich warten und kam mit einem Knüppel aus dem Keller. Zu dritt öffneten sie die Tür zum Garten und traten hinaus auf die Wiese.
Die Stimmen waren nun etwas lauter und besser zu verstehen. Sie riefen nach den Menschen, lockten sie zu einem Baum in der Mitte des Gartens. Andere Personen waren dort trotzdem nicht zu sehen.
»Das wird ja immer seltsamer.«, wunderte sich Oma, die ihre Brille abnahm und mit ihrem Pullover die Gläser polierte.
Opa, der nicht ganz so viel Angst hatte, erreichte den Baum als Erster. Als er unter die Äste trat, begann er zu grinsen.
»Ihr werdet es nicht glauben, aber die Maulbeeren an unserem Maulbeerbaum sind reif.«
»Und was ist daran so lustig, dass du so breit grinsen musst?«, fragte Oma.
»Die Maulbeeren haben es mir gerade eben selbst gesagt. Ihre vorlauten Mäuler stehen nämlich keine Sekunde mehr still.«

(c) 2020, Marco Wittler

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