Er krallte ihn für sechzig Sekunden
Es war eine friedliche Nacht, in der ich mal wieder tief und fest auf meinem Kratzbaum schlafen konnte. Nicht einmal der Wind war aktiv. Es wehte kein leises Lüftchen. Die Welt ruhte in absoluter Stille. Herrlich.
Doch plötzlich holte mich ein scheppernder Lärm aus meinen Träumen. Irgendwer war da draußen aktiv.
Als erfahrender Ermittler war ich sofort hellwach und sah mich um. Hatten wir es mit einem Einbrecher zu tun? Wenn dem so war, musste ich dem Übeltäter sofort Einhalt gebieten.
Ich sah mich von meinem Platz auf der obersten Etage des Kratzbaumes um. Die Mini-Mietze geriet in mein Blickfeld. Sie lag auf ihrem Schlafteppich, war aber auch geweckt worden.
Ohne eine Laut von mir zu geben, zwinkerte ich ihr zu. Ich gab ihr zu verstehen, dass sie die Lage in unserer WG sondieren sollte. Sie nickte und machte sich auf leisen Pfoten auf den Weg. Zimmer für Zimmer nahm sie unter die Lupe und gab jedes Mal Entwarnung. Man konnte ihr die große Enttäuschung ansehen. Sie hatte natürlich mit einem Kampf gegen einen würdigen Gegner gerechnet. Vielleicht würde es aber doch noch dazu kommen.
Nachdem die Lage in der WG geklärt war, kam ich von meinem Platz herab. Wir vereinbarten, gemeinsam einen Rundgang um das Haus zu machen.
Wir schlichen durch die Katzenklappe ins Freie, liefen durch den Garten und näherten uns schließlich der Straße. Noch bevor wir vor dem Haus waren, entdeckten wir den Tatort. Eine der Mülltonnen lag auf dem Boden. Irgendwer musste sie in dieser windstillen Nacht umgeworfen haben.
Wortlos schlichen wir weiter, sahen irgendwann einen buschigen, braun und schwarz geringelten Schwanz. Ein Waschbär trieb hier sein Unwesen. Mit diesen Banditen war nicht zu spaßen. Sie hatten es faustdick hinter den Ohren, waren nicht ganz ungefählich und sahen dabei trotzdem zuckersüß aus.
Ich wollte kein Risiko eingehen und schickte die Mini-Mietze in den Einsatz. Damit war das Schicksal des Waschbären besiegelt. Der Rest seiner Verbrecherbande würde ihn in der nächsten Tierklinik besuchen können.
Ein blitzschneller Schatten raste an mir vorbei, stürzte sich lautlos auf den Dieb und jagte ihm die scharfen Krallen in den Pelz.
Es war nicht die Mini-Mietze. Sie saß noch ungläubig neben mir und besah sich das Geschehen. Hier hatte ihr jemand die Show gestohlen.
Es war ShadowCat, der Kater mit Cape und Maske, der neuerdings in unserer Nachbarschaft auf Verbrecherjagd ging, dessen wahre Identität nur mir bekannt war.
Es entwickelte sich ein Kampf,der an Heftigkeit nicht zu überbieten war, der selbst die Mini-Mietze zum Staunen brachte.
Nach nur einer Minute war alles vorbei. Der Waschbär schleppte sich humpelnd davon und verschwand in der Dunkelheit.
Ich nickte ShadowCat voll Dank und Anerkennung zu. Dann zog auch er sich wieder in die Schatten zurück und wurde unsichtbar.
(c) 2020, Marco Wittler
Bild: OpenClipart-Vectors auf Pixabay
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