912. Untote sind in der Stadt

Untote sind in der Stadt

An Halloween liefen unzählige, als schaurige Figuren verkleidete Kinder durch die Straßen der Stadt,klingelten an den Türen und baten um Süßigkeiten.
An diesem Abend waren aber auch noch andere Gestalten unterwegs, die denen die vielen Verkleidungen zur Tarnung halfen.
Auf dem Friedhof öffneten sich nach Sonnenuntergang mehrere Gräber. Von innen schoben sich Hände aus der Erde, schoben sie zur Seite und machten Platz, damit die Untoten ihren Ruhestätten entsteigen konnten. Gleich fünf von ihnen torkelten wenig später die Kieswege entlang Richtung Ausgang.
An einem normalen Tag, irgendwann im Jahr, hätten sie nicht nur für Aufsehen, sondern wohl auch für große Panik unter den Lebenden gesorgt. Aber an Halloween fiel die modrige Haut und die zerschlissenen Klamotten, die sie an ihren verwesten Körpern trugen, gar nicht weiter auf. Sie waren nur fünf unter vielen anderen monströsen Gestalten.
Die Untoten verließen den Friedhof, staksten mit steifen Beinen die Straßen entlang und betraten ein belebtes Einkaufszentrum am Stadtrand.
Liebhaber von Grusel- und Horrorfilmen hätten nun darauf gewartet, dass etwas wirklich Schreckliches geschehen würde. Und genau das war es eigentlich auch, was Untote nun einmal machten, wenn sie auf die Lebenden trafen. Sie überfielen ihre Opfer.
Doch dieses Mal kam alles anders. Sie betraten eine Modeboutique, verpesteten die Luft darin mit ihrem bestialischen Gestank und wühlten sich stöhnend durch die Regale.
»Kann ich ihnen behilflich sein?«, fragte eine junge Angestellte, der man die Panik ansah.
Schweiß perlte ihr an der Stirn herab. Es bildeten sich dunkle Flecken unter ihren Achseln. Sie begann zu zittern.
Die Untoten drehten sich zu ihr um, schlurften der Frau entgegen und sprachen sie an.
»Wo ist denn hier die Damenabteilung. Wir brauchen unbedingt neue Outfits für uns. Mit diesen zerschlissenen Klamotten können wir uns nirgendwo mehr sehen lassen.«
Die Untoten kleideten sich neu ein, bezahlten die Angestellte fürstlich und verschwanden zum Friseur, beim dem sie sich für romantische Dates mit anderen Zerfledderten stylen ließen.

(c) 2020, Marco Wittler

Image by Amanda Elizabeth from Pixabay

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