481. Der Aprilscherzmeister

Der Aprilscherzmeister

Nils konnte kaum noch erwarten. Nur noch einmal schlafen, dann war der wichtigste Tag des Jahres. Nein, es war nicht sein Geburtstag. Bis Weihnachten dauerte es auch noch ein paar Monate. Für Morgen stand der 1. April auf dem Kalender.
»Ich werde sie wieder alle reinlegen und auf den Arm nehmen. Denn ich bin der Beste, der Größte. Ich bin der ungeschlagene Aprilscherzmeister.«
Dann lachte er leise vor sich hin und legte sich ins Bett, um von den tollsten Aprilscherzen träumen zu können.

Am nächsten Morgen stand er schon sehr früh auf und dachte noch einmal über alle seine Ideen nach, die er heute ausprobieren wollte.
»Furzkissen? Alter Hut. Zahnpasta unter Türklinken? Nee, das hat jeder schon gemacht. Dieses Jahr wird es ein ganz besonderer Scherz, der alles andere in den Schatten stellen wird.«
Nils zog sich an und ging in die Küche. Am Tisch saßen bereits seine Eltern und seine Schwester. Sie alle schienen sehr schlechte Laune zu haben. Niemand sprach ein Wort, niemand lächelte. Sie sahen alle aus, als wären ihnen eine dicke fette Laus über die Leber gelaufen. Als sie Nils entdeckten, schien die Laune noch schlechter zu werden.
»Keine Aprilscherze heute. Ich habe da einfach keine Lust mehr drauf.« beschwerte sich Papa.
»Versuch es erst gar nicht oder du bekommst zwei Wochen Stubenarrest.« warnte Mama.
»An mich brauchst du gar nicht erst zu denken.« funkelte ihn seine Schwester Anna an. »Meine Freunde lachen mich jetzt noch aus, wenn sie an letztes Jahr denken.«
Nils ließ die Schultern hängen.
»Keine Aprilscherze mehr? Wollt ihr, dass ich sterbe? Ihr wisst, dass das der wichtigste Tag des ganzen Jahres für mich ist. Das könnt ihr mir doch nicht antun.
»Keine Scherze.« brummten ihm die anderen gleichzeitig entgegen.
»Das ist so gemein.«
Betrübt setzte er sich an den Küchentisch und nagte lustlos an seinem Frühstücksbrot.
»Auch nicht ein ganz, ganz kleiner?«
»Keine Scherze!«

Es klingelte zur ersten Schulstunde. Nils ließ bereits seine Schultern hängen. Alle Klassenkameraden hatten ihm bereits sehr deutlich erklärt, dass sie keine Lust auf seine Aprilscherze hatten. Niemand wollte geärgert und auf den Arm genommen werden.
»Veräppeln können wir uns alleine. Dafür brauchen wir dich nicht.«
»Darf ich wenigstens ein Furzkissen verstecken?« Doch auch das wurde ihm verboten.
In diesem Moment kam die Klassenlehrerin herein. Sie warf Nils einen bösen Blick zu. »Vergiss es gleich wieder. Ich mache das dieses Jahr nicht noch einmal mit. Ich lasse mich nicht von dir zum Gespött der ganzen Schule machen. Wenn du also schon wieder etwas ausgeheckt hast, dann solltest du es auf der Stelle entfernen, sonst werde ich dich von der Schule verweisen lassen und ein ernstes Gespräch mit deinen Eltern führen.«
Wie war das? Ein Schulverweis? Für einen harmlosen Aprilscherz? Nils fehlten die Worte. Das durfte einfach nicht wahr sein. Er fühlte sich, als würde er in ein ganz tiefes Loch stürzen. Der schönste, coolste, beste, tollste Tag des Jahres war zerstört. Niemand wollte, dass er heute Spaß hatte. Das war unfair, fies, gemein, böse, … Ihm fehlten einfach die richtigen Worte, seine Enttäuschung richtig auszudrücken.

Am Abend war Nils völlig niedergeschlagen. Seine Laune war im tiefsten Keller angekommen. Es gab nichts mehr, worauf er sich nun in den nächsten dreihundertfünfundsechzig Tagen freuen konnte. 1. April? Den konnte er nun aus seinem Kalender streichen. Ach, wenn der Tag doch bloß schon vorbei wäre.
Er zog sich seinen Schlafanzug über und krabbelte ins Bett, als es noch einmal an seiner Tür klopfte.
Da standen sie alle plötzlich in der Tür. Mama, Papa und Anna. Sie alle grinsten.
»April, April. Wir haben dich reingelegt. Die Aprilscherze waren gar nicht verboten. Wir wollten dich damit nur mal von deinen Scherzen abhalten.«
Sie lachten und hielten sich dabei die wackelten Bäuche.
»Ach, und da will dich noch jemand sprechen.« Mama hielt ihm ihr Handy hin. Nils nahm es verwirrt entgegen.
»April, April.« rief seine Lehrerin.
»Ich hab dich voll dran gekriegt. Aprilscherze kann man doch gar nicht verbieten. Und alle Kinder aus deiner Klasse haben mitgemacht. Wer ist jetzt der Aprilscherzmeister?«
Nils musste ich lange nachdenken. »Das bin immer noch ich. Schauen mal in ihr Federmäppchen.«
Er legte auf und grinste seine Familie an. »Und ihr schaut mal unter eure Bettdecken. Da werdet ihr alle das Gleiche finden, wie meine Klassenlehrerin.«
Damit legte er sich grinsend unter seine Bettdecke und wünschte eine gute Nacht. Er konnte sich bereits sehr gut vorstellen, wie die anderen reagieren würden, wenn sie seinen kurzen Brief lasen. In dicken, fetten Buchstaben stand dort geschrieben:

Ich bin und bleibe der Aprilscherzmeister. Mich nimmt niemand auf den Arm. Ich euch aber schon. Ich habe die ganze Zeit gewusst, dass ihr mich veräppelt. Deswegen habe ich auch mitgespielt, damit ihr denkt, es kränkt mich. Aber darauf seit ihr prima reingefallen.

(c) 2014, Marco Wittler

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