048. Der Club der Verlierer (Ninas Briefe 10)

Der Club der Verlierer

 Hallo Steffi.

Ich hoffe, dir geht es gut. In deinem letzten Brief klang es jedenfalls so und das hat mich sehr gefreut.
Ich hatte in den letzten Wochen sehr oft schlechte Laune. Und jetzt rate mal, woran das gelegen hat. – Ganz genau. Es lag an Jungs. Die sind einfach nur fies und gemein.
Du weisst ja, dass ich hier im Dorf in die Jungschar gehe. Jede Wochen machen wir da ganz viele tolle Spiele, singen, basteln, beten und haben ganz viel Spaß. Alles nur für Mädchen. Aber dann hat unsere Gruppenleiterin, die Steffi, ein Baby bekommen und hat nun leider keine Zeit mehr für uns. Da waren wir alle sehr traurig, denn sie hatte immer so verrückte Ideen im Kopf.
Eigentlich hätte unsere Jungschar dann gar nicht mehr stattfinden können. Aber der Leiter der Jungengruppe, Marco, hatte gesagt, dass das doch sehr schade wäre. Deswegen hat er uns alle einfach mit in seine Gruppe geholt. Nun machen wir mit den Jungs alles gemeinsam. Und glaub mir, dass ist manchmal so richtig stressig, weil die Jungs einfach nur nerven und uns immer ärgern.
Vor zwei Wochen war es dann besonders schlimm. Auf dem Programm stand ein großer Dreikampf. Alle waren aufgeregt und wollten unbedingt gewinnen, denn der Sieger sollte einen Pokal bekommen. Die Jungs waren sich natürlich sehr siegessicher. Sie sagten, dass schwache Mädchen nie eine Chance gegen starke Jungs hätten. Da haben wir uns natürlich umso mehr angestrengt.
Wir mussten gegeneinander antreten. Drei Disziplinen gab es: Kickern, Tischtennis spielen und Computerfußball. Ausgerechnet nur Jungsspiele. Das war richtig unfair. Aber Marco entschuldigte sich sofort dafür bei uns, denn dieses Spiel würde es schon sehr lange in seiner Jungschar geben und versprach uns einen zweiten Dreikampf mit Mädchenspielen zum Ausgleich.
Die Spiele fingen ganz gut an. Manche Jungs schieden sogar schon in der Vorrunde aus. Das fanden wir sehr lustig. Die Jungs waren aber stinkesauer, denn nun durften sie nur noch zuschauen.
Am besten spielte Laura. An ihr haben sich alle die Zähne ausgebissen. Ein Junge nach dem anderen musste gegen sie ausscheiden. Aber auch ich war ganz gut. In den Vorrunden war ich zwar nie die Beste, aber die Finalrunden waren richtig gut.
Und dann kam ich in alle drei Halbfinale. Ich freute mich riesig, denn nun waren nur noch Laura und ich dabei und zwei Jungs. Und gegen einen der beiden verlor ich alle drei Spiele.
Das wäre ja nicht so schlimm gewesen. Irgendwann verliert jeder einmal. Aber mein Gegner war überall der Selbe: Timo.
Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gemein er dann zu mir wurde. Er nannte mich eine Verliererin und ein schwaches Mädchen. Er meinte, dass ich ja gar nichts wirklich richtig gut könnte.
Ich war so richtig sauer. Am liebsten hätte ich ihm eine Ohrfeige gegeben. Aber der Marco stand mit im Gruppenraum und passte auf. Ich wollte ja keinen Ärger bekommen.
Dann packte ich einfach meine Sachen zusammen, zog meine Jacke an und lief weinend weg.
Die Jungs haben mich alle ausgelacht. Das machte mich dann noch wütender und trauriger.
Ich setzte mich im Flur in eine dunkle Ecke und schmollte vor mich hin, bis Laura zu mir kam, hinter ihr Marco, der mich fragte, was denn los sei.
Ich erzählte ihm alles, was mir nicht passte. Ich sagte, dass es gar keinen Spaß mehr machen würde, in die Jungschar zu kommen ,weil die Jungs so gemein zu uns Mädchen waren.
Er setzte sich zu mir und hörte einfach nur zu.
Er meinte, dass Rebekka, die Helferin in unserer Gruppe, die Spiele so lange auch alleine beaufsichtigen könnte.
Nachdem ich mir alles von der Seele geredet und geweint hatte, sah er mich an und versprach mir, dass es bald in der Jungschar schöner und lustiger werden würde. Er hatte ein paar Ideen im Kopf, die er bald ausprobieren würde.
Ich wusste zwar nicht, was er genau meinte, freute mich aber trotzdem schon darauf.
Das einzig schöne an diesem Nachmittag war, dass Laura in allen drei Spielen gegen Timo im Finale stand und wenigstens im Tischtennis gewann und in den anderen beiden nur ganz knapp verlor. Das war besser als gar nichts.
Timo bekam natürlich den Pokal, und tat so, als könnte ihn niemand auf der Welt schlagen, aber das glaubten wir ihm eh nicht. Die anderen Jungs klopften ihm nur anerkennend auf die Schultern und sagten im ständig, dass er jedes Mädchen im Schlaf besiegen könnte.
Nach Ende der Gruppenstunde erzählte Marco mir und Laura noch von der Zeit, als er selbst Jungscharler war. Er war einige Jahre in der Gruppe gewesen und hatte auch immer an allen Turnieren teilgenommen. Gewonnen hatte er allerdings nie. Er war sogar meist einer der schlechtesten Spieler gewesen. Aber er hatte sie nichts daraus gemacht. Für ihn war es viel wichtiger Spaß an den Spielen zu haben und dabei zu sein. Und dafür ist er heute Jungscharleiter.

 Letzte Woche kündigte Marco ein neues Pokalspiel an. Er verriet noch nicht, worum es ging, aber es sollten sich alle gut auf alles vorbereiten, denn es würde sehr schwer werden.
Die Jungs grölten herum und behaupteten, dass sie gut genug vorbereitet wären, um gegen uns zu gewinnen.
Heute war dann der große Tag. Wir waren richtig aufgeregt, da niemand wusste, was nun wirklich gespielt wurde.
Ein großer, glänzender Pokal stand auf einem der Tische an der Wand. Er war viel größer, als der Pokal, den Timo vor zwei Wochen mit nach Hause nehmen durfte.
Nach dem Singen und beten nahm Marco den Pokal und hielt ihn hoch über seinen Kopf und sagte: »Heute gibt es den ganz neuen Pokal. Es ist ein ganz besonderer Pokal, den nur derjenige bekommt, der ihn wirklich verdient. Und jetzt wollt ihr natürlich wissen, wie. Also es geht um Folgendes.«
Er erklärte uns die Regeln, von denen es gar nicht so viele gab. Obwohl es ein besonderes Spiel werden sollte, klang alles richtig einfach.
Er gab uns eine Stunde Zeit. In dieser sollten wir ein großes Maskottchen basteln, welches uns beim nächsten Sportturnier als Glückbringer begleiten sollte. Aus welchem Material es sein sollte, überließ er uns. Er hatte mehrere Kisten aufgestellt, in denen wir genug Bastelzeug fanden.
Nun waren die Jungs etwas verwirrt. Basteln hatte bei ihnen noch nie auf dem Programm gestanden. Und daher wussten wohl auch nicht so recht, was sie nun tun sollten.
Wir Mädchen stürmten sofort an die Kisten und kramten alles Mögliche heraus und fingen an. Laura schnappte sich das Moosgummi, Lena einen Stapel alte Zeitungen und Draht. Ich suchte mir eine Kiste mit Legosteinen aus.
Die Jungs kamen nur langsam vorwärts. Sie hatten sich Bastelzeug von draussen geholt. Sie benutzen Äste, Laub, Blätter, Werkzeug – Jungskram. Aber kreativ sah nichts bei ihnen aus, obwohl sie sich schon als Gewinner sahen. Nur Timo, der zu Anfang noch sagte, dass nur er den neuen Pokal verdient hätte, saß still an einem Tisch und wusste nicht, was er machen sollte. Vor ihm lagen zwar ein paar Sachen, aber er wusste nichts damit anzufangen. Er tat mir schon etwas Leid, aber was sollte ich machen?
Ich kramte in meiner großen Legokiste herum und sah mir die einzelnen Steine an, bis mir eine tolle Idee kam. Ich fing an, das Jungscharzeichen aus Lego zu bauen. Eigentlich ist es ja ein weißen Zeichen auf blauem Hintergrund, aber ich wollte es richtig bunt haben. Und so verbaute ich Stein für Stein.
Zwischendurch musste ich zur Toilette. Also lies ich mein Bauwerk allein im Gruppenraum zurück. Doch als ich zurück kam, saß plötzlich Timo davor.
Ich wurde richtig sauer. Schließlich wollte ich mir meine Idee nicht klauen lassen. Doch dann sah ich, was in der Zwischenzeit geschehen war.
Timo sah mich an und entschuldigte sich sofort dafür, dass er an meinem Jungscharzeichen gebastelt hatte. Aber er meinte, dass daran noch etwas ganz wichtiges gefehlt hätte.

Deswegen hatte er mit einem Stift unseren Jungscharspruch darauf geschrieben. Jedes Wort stand auf einem eigenen Stein. Und nun war dort zu lesen:

Jesus Christus will der Herr meines Lebens sein.
Er liebt mich, auch wenn ich Fehler mache.
Auf sein Wort will ich hören.
Ich vertraue darauf, dass Jesus mir hilft,
treu und ehrlich,
fröhlich und zuverlässig,
kameradschaftlich und dienstbereit zu sein,
Für mein Leben soll gelten:
Mit Jesus Christus „Mutig voran“.

 Ich fand die Idee gut und musste feststellen, dass Timo richtig tolle Sachen im Kopf hat. Allerdings fehlt da noch etwas. Auf die restlichen Steine schrieb ich die Namen von unserem Mitarbeiterteam und von allen Kindern, die heute Nachmittag da waren.
Am Ende der Gruppenstunde kam Marco im Kreis herum und sah sich alle Ideen an. Als er bei uns ankam sagte er sofort, dass wir gewonnen hätten. So eine tolle Idee hätte noch niemand gehabt. Timo und ich bekamen zusammen den Pokal.
Aber leider lässt sich das Ding nicht durchschneiden. Deswegen schlug Timo vor, dass der Pokal jede Woche zwischen uns hin und her wechseln sollte.
Mit dieser Lösung war ich auch zufrieden.
Als ich dann nach Hause gehen wollte, tippte mir Timo noch einmal von hinten auf die Schulter.
»Hey, hast du vielleicht Lust, demnächst mit mir zusammen als Team zu spielen? Ich finde, es hat Spaß gemacht, mit dir was zusammen zu machen.«
Das war vielleicht was. Damit hätte ich gar nicht gerechnet. Aber ich fand es toll.
Jetzt habe ich einen neuen Freund, der mir dann auch demnächst helfen wird, in der Jungschar die Spiele besser zu gewinnen.

 So, dass war es jetzt auch schon wieder von mir. Ich freue mich schon auf deinen Brief.

 Deine Nina.

 P.S.: Schade, dass du nicht hier sein kannst. Du würdest Timo bestimmt mögen.

(c) 2007, Marco Wittler

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