1024. Flaschenpostbote Knut spielt um die Meisterschaft

Flaschenpostbote Knut spielt um die Meisterschaft

Knut zog sich die blaue Jacke über, strich die Ärmel glatt und sah sich prüfend im Spiegel an. Etwas fehlte da noch. Ach, ja. Die passende Schirmmütze gehörte unbedingt auf den Kopf. Er legte den breiten Ledergürtel und seine große, schwere Tasche um. Zuletzt rückte er den Seestern auf der Brust zurecht und nickte endlich. Er war fertig und konnte in den Tag starten.

Der Meermann, verließ er sein Haus und schwamm los. Ihm folgte ein großer Krake, der die restlichen Taschen in seinen Armen hielt. Die Flaschenpost musste ausgeteilt werden. Sein Weg führte ihn wie immer zuerst zur nahen Grundschule, wo die Kinder am Zaun schon auf ihn warteten.
»Knut! Fiete! Enno!«, stürmten sie laut rufend auf die Drei zu. »Könnt ihr uns eines eurer verrückten Erlebnisse erzählen?«
Knut strich sich seinen Schnurrbart zurecht, dachte kurz nach und begann zu grinsen.
»Mir fällt da etwas ein. Ich habe am Wochenende an der Bowling-Weltmeisterschaft der Flaschenpostboten teilgenommen und musste gegen den größten Betrüger aller sieben Weltmeere antreten. Davon werde ich euch jetzt berichten.«
Auf dem Schulhof wurde es mucksfischchenstill, als Knut zu erzählen begann.

Flaschenpostbote Knut fühlte sich an diesem Abend richtig gut. Er wusste, dass heute alles möglich werden konnte. Als er die große Bowlinghalle betrat, noch einmal einen Blick auf seine Siegeskugel warf, fühlte er sich dem Sieg zum Greifen nah.
»Hey Knut!«, rief ihm sein Kollege Fiete der Krake entgegen. »Hast du dich gut vorbereitet? Bist du fit? Wirst du dieses Jahr die Weltmeisterschaft der Flaschenpostboten gewinnen? Das ist doch schon lange dein Traum.«
Knut grinste breit und strich sich seinen Schnurrbart glatt. »Ich habe mich im letzten Jahr sehr darüber geärgert, dass Sven, der seinen Dienst vor den Lofoten verrichtet, wieder mal knapp vor mir lag. Aber dieses Jahr bin ich endlich dran. Ich lasse es nicht zu, dass Sven mich wieder auf Platz 2 verbannt.«
Das Turnier begann. Knut hatte eine Bahn zugeteilt bekommen und warf seine Bowlingkugel immer wieder in die Vollen. Jedes Mal räumte er alle Kegel ab. Er kam dem Titel, und damit dem Pokal, immer näher. Der muskulöse Sven mit seinen durchtrainierten Armen und den vielen Meerjungfrauen, die ihn umschwärmten, war allerdings nicht schlechter. Auch er machte einen perfekten Wurf nach dem anderen.
»Wenn er doch nur einen Fehler machen würde.«, flüsterte Knut zu Fiete. Auch Enno der Seestern, der auf Knuts Brust saß, wusste nichts mehr zu sagen und hatte sein Lächeln schon lang verloren.
Das Turnier neigte sich seinem Ende zu. Mittlerweile waren die meisten Flaschenpostboten aus den sieben Weltmeeren ausgeschieden. Nur noch Knut und Sven waren übrig geblieben. Sie machten beide ihren letzten Wurf. Sven war zielsicher, räumte alle Pins ab, während Knut vor Nervosität patzte und einen letzten stehen ließ.
»Verdammt!«, fluchte Knut. »Ich habe es schon wieder vermasselt. Wie kann dieser Wikingerverschnitt bei jedem Wurf so viel Glück haben? Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu.«
Frustriert ließ er sich in seinen Sessel fallen, warf seine Bowlinghandschuhe auf den Boden und packte seine Kugel wieder ein.
»Es ist vorbei. Jetzt muss ich bis nächstes Jahr warten.«
Plötzlich bekam Fiete große Augen. »Da brat mir doch einer einen Schwertfisch. Ich traue gerade meinen Augen nicht. Aber wenn stimmt, was ich da gerade gesehen habe, dann wirst du heute doch noch Weltmeister. Ich muss schnell etwas besorgen.«
Der Krake schwamm eiligst davon und ließ seinen verwirrten Kollegen zurück. Nach ein paar Minuten kam er mit einem kleinen Säckchen wieder in die Bowlinghalle.
»Was hast du besorgt?«, wollte Knut wissen?
»Futter!«, sagte Fiete grinsend und schüttete ein Häufchen Schnecken auf den Boden. Keine Sekunde später setzte sich Svens Bowlingkugel in Bewegung und stürzte sich hungrig auf die Schnecken.
»Beim Neptun!«, entfuhr es Knut. »Die Kugel ist ein Kugelfisch. Deswegen hat Sven jeden Wurf perfekt versenkt. Dieser Betrüger.«
Sven fluchte laut. Nach so vielen Jahren war sein bester Trick entlarvt worden. Mit hochrotem Kopf gab er den Pokal an Knut.

Die Kinder der Grundschule sahen die Flaschenpostboten mit großen Augen an. Das Kugelfische so gemein sein konnten, hatten sie sich nicht vorstellen können.
»Ihr könnt mir glauben, alles was wir erlebt haben, ist wahr.«

(c) 2021, Marco Wittler

Bild: Nik Karlov auf Pixabay

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