Flaschenpostbote Knut baut auf Sand
Flaschenpostbote Knut zog sich die blaue Jacke über, strich die Ärmel glatt und sah sich prüfend im Spiegel an. Etwas fehlte da noch. Ach, ja. Die passende Schirmmütze gehörte unbedingt auf den Kopf. Er legte den breiten Ledergürtel und seine große, schwere Tasche um. Zuletzt rückte er den Seestern auf der Brust zurecht und nickte endlich. Er war fertig und konnte in den Tag starten.
Der Meermann, verließ er sein Haus und schwamm los. Ihm folgte ein großer Krake, der die restlichen Taschen in seinen Armen hielt. Die Flaschenpost musste ausgeteilt werden. Sein Weg führte ihn wie immer zuerst zur nahen Grundschule, wo die Kinder am Zaun schon auf ihn warteten.
»Knut! Fiete! Enno!«, stürmten sie laut rufend auf die Drei zu. »Könnt ihr uns eines eurer verrückten Erlebnisse erzählen?«
Knut strich sich seinen Schnurrbart zurecht, dachte kurz nach und begann zu grinsen.
»Mir fällt da etwas ein. Wir haben vor ein paar Tagen im Kindergarten Sandburgen gebaut . Davon werden wir euch jetzt berichten.«
Auf dem Schulhof wurde es mucksfischchenstill, als Knut zu erzählen begann.
Flaschenpostbote Knut kam mit seinem beiden Flaschenpostkollegen Fiete und Enno am Stadtrand vorbei. Dort sahen sie die Meerkinder des Meerkindergartens im Sand spielen.
Die einen hatte ihre Förmchen in der Hand und produzierten jede Menge Sandkuchen, die anderen buddelten mit ihren Schüppchen Löcher in den Boden oder harkten alles wieder glatt.
»Schaut mal, wie viel Spaß die Kinder haben.«, erfreute sich Fiete. »Als Kind war ich immer der schnellste Sandkuchenbäcker mit meinen Förmchen. Mir konnte keiner etwas vormachen.«
Knut musterte den Kraken und musste lachen. »Wenn ich acht Arme hätte, könnte ich auch einen Kuchen nach dem anderen formen.«
Fiete grinste breit. Es hatte nur Vorteile, ein Krake zu sein. Das wusste er schon von klein auf.
Die Kinder und auch die Kindergärtnerin winkten den Flaschenpostboten zu, die die Begrüßung eifrig erwiderten. Enno, der kleine Seestern, rief mit seiner tiefen Stimme ein lautes »Hallo!« hinüber.
»Männer, was haltet ihr davon, wenn ihr den Kindern mal zeigt, was ihr aus eurer Kindergartenzeit noch wisst und macht etwas Kreatives aus Sand.«, schlug die Eleonore vor, die schon den ganzen Tag die Kinder betreute.
»Wir könnten eine Sandburg bauen.«, war Fiete sofort begeistert. »Das habe ich schon ewig nicht mehr gemacht.«
Knut verzog seinen Mund, was hinter seinem buschigen Schnurrbart nicht zu sehen war. »Bist du dir da wirklich sicher? Ich finde das alles andere als einfach.«
»Ach, komm schon.«, bettelte Fiete. »Das wird bestimmt lustig.«
Knut seufzte und nickte. »Also dann eine Sandburg.«
Der alte Meermann setzte sich auf einen Stein, der von weichen Algen bewachsen war und begann, den vom Meerwasser durchweichten Sand aufzuhäufen. Doch schon nach wenigen Zentimetern Höhe brach ihm sein Baumaterial immer wieder zusammen.
»Verdammt! Das funktioniert einfach nicht. Sandburgen kann man nur am Strand bauen. Unter Wasser ist der Sand einfach viel zu nass.«
Wütend und enttäuscht warf er sein Schüppchen weg. Warum war Fiete bloß auf diese bescheuerte Idee gekommen? Er sah den Kraken wütend an und riss überrascht die Augen auf. Vor dem Kraken stand tatsächlich eine stattliche Sandburg, die eben nicht in sich zusammenbrach.
»Wie hast du das denn geschafft? Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu.«
Fiete grinste. »Ich habe dir gesagt, dass ich das gut kann. Da kommt mir meine jahrelange Erfahrung zu Gute.«
Knut schwamm ganz nah an die Burg heran und umrundete sie. Er betrachtete alle Seiten ganz genau, bis er plötzlich mit der Hand in den Sand hinein fuhr und zwei große Krebse heraus holte.
»Beim Neptun! Du hast mich reingelegt.«
Fiete grinste noch immer. »Es ist nicht verboten, sich Hilfe zu holen.«
Die Kinder der Grundschule sahen die Flaschenpostboten mit großen Augen an, denn eine echte Sandburg hatten sie noch nie mit eigenen Augen gesehen.
»Ihr könnt mir glauben, alles was wir erlebt haben, ist wahr.«
(c) 2021, Marco Wittler
Bild: NikKarlov auf Pixabay
Antworten