1053. Der Kampf gegen das Krokodil

Der Kampf gegen das Krokodil

Am Ufer eines Steppensees lag ein riesiges Krokodil. Vom Kopf bis zur Schwanzspitze mochte es bestimmt sieben Meter lang sein. Sein Maul hatte es weit geöffnet und ließ seine langen und scharfen Zähne in der Sonne aufblitzen. Niemand wagte sich auch nur in die Nähe dieses Ungetüms. Zu groß war die Gefahr, als Frühstückshappen zu enden.
»Ach, ist das herrlich hier.«, seufzte das Krokodil wohlig. »Den ganzen Tag am Wasser liegen, in der Sonne brutzeln und niemand da, der mich stört. Schon praktisch, wenn man als Krokodil geboren wird und jeder Respekt zeigt.«
Während es sich noch ein paar Gedanken mehr über sein Leben machte, huschte eine kleine Maus unter einem Busch hervor und umrundete in einem wilden Lauf die Füße des Krokodils.
»Du glaubst doch wohl nicht, dass ich Angst vor dir hätte.«, rief sie laut und machte so auf sich aufmerksam. »Ich bin eine kleine, aber dafür besonders tapfere Maus. Ich fürchte mich vor Niemandem, ganz besonders nicht vor dir.«
Das Krokodil sah sich um, entdeckte die Maus und verdrehte genervt die Augen. »Verschwinde, du Winzling. Geh mir nicht auf den Wecker, sonst werde ich dich noch verspeisen.«
Die Maus begann zu lachen. »Du willst mich tatsächlich verspeisen? Das glaubt dir doch keiner. Du bist so groß und schwer, dass du dich nicht schnell genug bewegen kannst, um mich zu fressen.«
Das Krokodil schüttelte den Kopf. Es stand ihm gar nicht der Sinn danach, die Maus zu fressen. An dem kleinen Ding war gar nicht genug dran, um wenigstens als Vorspeise durch zu gehen. Trotzdem begann es, nach dem Nagetier zu schnappen. Irgendwie musste die Ruhe am See wieder hergestellt werden.
»Hah! Siehst du? Du kriegst mich nicht.«
Das Krokodil wurde langsam sauer. Immer wieder ließ es seine kräftigen Kiefer aufeinander schlagen. In einer unglaublichen Geschwindigkeit warf es sich hin und her, drehte sich immer wieder um sich selbst und versuchte nach der Maus zu schnappen. Es gelang ihm nicht. Aufgeben war allerdings auch nicht drin. Es konnte doch nicht sein, dass ein so mächtiges Raubtier gegen ein winziges Nagetier verlor.
Stunde um Stunde ging es weiter. Die Maus lachte und das Krokodil wurde immer wütender. Allerdings wurde es auch bedeutend müder. Die Jagd war mehr als anstrengend. Irgendwann gab es dann doch noch auf. Es blieb einfach liegen und bewegte sich nicht mehr. Das Krokodil schlief ein. Die Maus hatte gewonnen.
Sie kletterte auf das nun geschlossene Maul des Raubtiers, zog ein Handy hervor und knipste sich in Siegerpose.
Am Abend saß sie in einer großen Runde mit den anderen Mäusen und erzählte die Geschichte der tapferen Maus, die in einem tödlichen Kampf ein Krokodil besiegt hatte.
»Das Tier mit den riesigen Zähnen hatte keine Chance. Ich habe es mit meinen Fäusten verprügelt, bis es nicht mehr konnte und einfach umfiel.«
Die Augen der anderen Mäuse wurden groß und größer. Eigentlich hätten sie niemals diese unglaubliche Geschichte irgendwem abgekauft, aber das Foto zeigte, dass das Krokodil tatsächlich besiegt worden war.
Die Maus selbst war sich klar darüber, dass sie tatsächlich das Krokodil besiegt hatte, nicht mit Fäusten, dafür aber mit einer schlauen Idee. Der Kampf hörte sich in einer Erzählung aber sehr viel spektakulärer an.

(c) 2021, Marco Wittler

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