1144. Der Zombie

Der Zombie

Es war eine lange und kühle Nacht. Über der kleinen Stadt hing dichter Nebel, der sich noch bis weit über ihre Grenzen hinweg erstreckte. Er verschluckte alles, was mehr als ein paar Meter entfernt war.
Kurz vor dem Ortsausgang lag ein kleiner, sehr alter Friedhof, den nur selten ein Sterblicher aufsuchte. Man munkelte, dass es hier spuken sollte oder andere Geschöpfe der Nacht ihr Unwesen trieben. In den Nächten hielt man sogar noch weiteren Abstand. Sicherheit ging vor.
Nach und nach drehten sich die Zeiger auf dem Turm der kleinen Kapelle, der über die Toten wachte. Um Mitternacht, als der neue Tag begann, wurde die Ruhe an diesem einsamen Ort plötzlich gestört.
In einem der vielen Gräber rührte sich etwas. Wenn jemand hier gewesen wäre und genau hingehört hätte, wäre ihm ein leises Rumpeln unter der Erde aufgefallen. Dem Rumpeln folgte ein Schaben, ein Kratzen, es krachte. Die Erde sackte ab. Erst kam eine, dann eine zweite Hand an die Oberfläche. Sie hievten einen Körper aus dem Boden, der teilweise verwest war. Es war ein Untoter, ein Zombie. Langsam stand er auf, humpelte langsam zum Ausgang des Friedhofs. Er wurde von nur einem einzigen Gefühl angetrieben: unstillbarer Hunger. Er hatte es auf die Menschen der Stadt abgesehen.
Der Zombie schritt an der Kapelle vorbei und trat auf die Straße. In wenigen hundert Metern Entfernung konnte er bereits die erleuchteten Häuser erkennen. Nun hatte er ein Ziel. Er wusste, wohin er sich richten musste, wo er seine erste Mahlzeit bekommen würde.
Er machte den nächsten Schritt und brach zusammen. Er hatte eines seiner fauligen Beine verloren, dann das andere. Krachend landete er auf dem kalten Asphalt.
Von diesem Rückschlag wollte er sich nicht aufhalten lassen. Er kroch mit den Armen weiter. Doch auch sie versagten ihren Dienst und blieben auf der Straße zurück. Nur noch aus Körper und Kopf bestehend sah der Zombie auf die verlorenen Glieder zurück und seufzte.
»Och, nee. Warum muss mir das gerade heute passieren? Wie soll ich denn wieder zurück nach Hause kommen? Wäre ich doch bloß Vegetarier geworden, dann hätte ich an meinem Grab die Blumen essen können.«

(c) 2021, Marco Wittler

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