1150. My home is my castle

My home is my castle

Es war zehn Uhr am Vormittag. Schon seit mehreren Stunden konnte der kleine Geist, der sich in sein Versteck auf dem Dachboden zurückgezogen hatte, nicht einschlafen. Irgendwas hielt ihn wach oder riss ihn aus seinen Träumen, die kaum eine Chance hatten, richtig zu beginnen.
Während er kein Auge zumachen konnte, war draußen die Sonne schon längst aufgegangen und schickte ununterbrochen ihre Strahlen herein, was das Einschlafen zusätzlich erschwerte.
»Ich will doch nur meine Ruhe finden.« Der kleine Geist war traurig, wütend und verzweifelt. So etwas hatte er noch nie erlebt. Wie sollte er denn die kommende Nacht zur Geisterstunde durchhalten? Er sah sich schon auf dem Burghof am Brunnenschacht sitzen, während er ununterbrochen gähnte.
Verzweifelt verließ er sein Versteck, schwebte durch die Wand und ließ sich langsam herab sinken.
»Schau mal, Mama.« War das etwa eine menschliche Kinderstimme, die da vom Burgeingang her erklang? Der kleine Geist erschrak. Vor Menschen hatte er sich schon immer gefürchtet. Er hatte so viele Gruselgeschichten über sie gehört, dass sie Geister in Waschmaschinen stecken und danach an gespannten Leinen aufhängen würden. »Da fliegt ein Bettlaken durch die Luft.«
Unglaublich. Die schlimmen Gerüchte schienen tatsächlich zu stimmen. Panik ergriff den Geist. Er musste schnell sich und sein Heim in Sicherheit bringen.
Er durchdrang den gepflasterten Boden des Hofes, schwebte durch die verwinkelten Kellergänge und Katakomben, trommelte alle Geister zusammen, die er fand und erklärte ihnen seine Idee.
»Wenn wir unsere Kraft vereinen, können wir Großes bewirken und den gefährlichen Menschen für immer entkommen.
Er musste nicht lange fragen, bitten und betteln. Seine Artgenossen waren sofort auf seiner Seite. Vereint drückten sie von unten gegen die Burg, ächzten und stöhnten. Die alten Gemäuer begannen zu zittern. Die erschrockenen Menschen liefen verängstigt davon. Die Geister hoben ihr Heim an, trugen es hoch in die Lüfte. Sie verankerten die Burg an mehreren Wolken, an denen sie hängen blieb.
Erleichtert und zufrieden sah der kleine Geist vom Eingangstor zur Erde hinab und atmete tief durch.
»Hier oben können sie uns nichts mehr anhaben. Jetzt haben wir unsere Ruhe.«
Beruhigt zog er sich in seinen Dachboden zurück und konnte endlich einschlafen.

(c) 2021 Marco Wittler

Die Inspiration zu dieser Geschichte verdanke ich zwei Bildern, die ich auf Twitter gefunden habe.

Bild 1 stammt von Derwodaso (@Revilo_S13), der eine wunderschöne, schwebende Burg gezeichnet hat.
https://twitter.com/Revilo_S13/status/1450822425357307909?s=20

Bild 2 stammt von Hendrike (@fuchsfamos), die unter ihrer Burg eine ganze Gruppe Geister gefunden hat.
https://twitter.com/fuchsfamos/status/1450706909632344067?s=20

Beide zusammen ergaben eine tolle Geschichte.

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