1151. Auf einer Friedhofsbank

Auf einer Friedhofsbank

Ich hatte es mir auf einer der vielen Bänke gemütlich gemacht und genoss die Aussicht an diesem wunderschönen Tag. Die Sonne schien, es war schön warm und es war keine einzige Wolke am Himmel zu sehen. Dafür summten unzählige Bienen und Hummeln zwischen den vielen Blumen und Blüten hin und her. In der Luft lag ein angenehm süßer Duft.
»Ach, das ist so herrlich hier.« Nach einer gefühlten Ewigkeit war ich endlich mal wieder zufrieden und glücklich. Besser konnte das Leben gar nicht werden. »Wenn es nach mir ginge, könnte ich unendlich lange hier sitzen bleiben.«
Die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht taten mir richtig gut. Ich hatte das Gefühl, Energie aufzutanken, die mir seit Jahren fehlte.
»Ja, das ist wirklich ein schöner Tag.« Jemand näherte sich von hinten, umrundete die Bank und setzte sich, mit gewissem Abstand, neben mich. Ich sah mir diese Person aufmerksam von oben bis unten an. Es schien ein großer, hagerer Mann zu sein. Zumindest deutete seine Stimme darauf hin. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, denn es lag tief im Schatten der übergroßen Kapuze seiner schwarzen Kutte, die den ganzen Leib bedeckte. Er stellte die Sense, die in seiner Rechten gehalten hatte, zur Seite und atmete die Luft tief ein.
»Ihr seid hier der Gärtner?« Wegen der Sense hatte ich diese Vermutung gestellt und sah ihn fragend an.
»Etwas in der Art.« Er war geschickt ausgewichen, was mir trotzdem sofort aufgefallen war. »Warum verbringt ihr eure Zeit auf einem Friedhof Hier ist es so still und menschenleer.«
Ich lächelte und lehnte mich zurück. »Gerade das ist der Grund. Ich möchte meine Ruhe haben. Ich habe es noch nie gemocht, im Gedränge zu stehen.«
Er nickte nur und ließ seinen Blick schweifen. »Ich bin mir sicher, dass ihr auch nie wieder im Gedränge stehen müsst.«
Langsam griff er zur Sense, fuhr mit seiner knochigen Hand über die scharfe Klinge, die im Sonnenlicht aufblitzte.
»Ihr werdet euch nie wieder solch düstere Gedanken machen müssen. Bald ist alles gut.«
Ich blickte ihn an, wusste in diesem Augenblick ganz genau, wer sich zu mir gesetzt hatte und lächelte ihn freundlich an.
»Das ist der falsche Zeitpunkt, für euren Auftrag.«
Er schien zu stutzen, hielt in seiner Bewegung kurz inne. Hatte ich ihn etwa verwirrt? Doch dann stand der Tod auf. Er hob sein Werkzeug weit über den Kopf, holte aus und ließ die Sense auf mich niedersausen. Ohne auch nur ein einziges Geräusch zu verursachen, ging sie durch meinen Körper hindurch und hinterließ keine einzige Verletzung.
»Wie ich euch bereits sagte, seid ihr zum falschen Zeitpunkt hier erschienen. Ihr habt mich schon vor vielen Jahrzehnten abgeholt.«
Mit diesen Worten löste ich meinen Geisterkörper vor seinen Augen auf und ließ den Tod verwirrt vor der Bank stehen.

(c) 2021, Marco Wittler

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