Schlafhörnchen
Emily wurde mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen. Aus der Schublade ihres Nacht schränkchens war eine Geräusch zu hören. Unaufhörlich piepte darin ein kleines Gerät.
Sofort war Emily hellwach. Sie zog die Schublade auf und holte ein Headset daraus hervor. Sie setzte es sich auf den Kopf, drückte einen Knopf und nahm das eingehende Gespräch an.
»Hier Einsatzleitung? Was ist passiert?« Emily sah sehr besorgt aus. Normalerweise wurde sie um diese Uhrzeit nicht kontaktiert. Es musste also etwas Dramatisches geschehen sein, das nicht bis Morgen warten konnte. Während sie zuhörte, nickte sie immer wieder und strich sich dabei nachdenklich über ihr Kinn.
»Ist in Ordnung. Ich komme sofort.«
Emily unterbrach die Verbindung, ging zum Kleiderschrank und zog sich an. Ganz bewusst wählte sie dabei dunkle Kleidung, mit der sie in der Nacht nicht so schnell gesehen werden konnte. Dann schlich sie zum Schlafzimmer.
»Mama? Bist du wach?« Keine Reaktion. »Mama?« Emily ging zum Bett und stupste Mama mit dem Finger an. »Es gibt einen Zwischenfall. Ich muss zur Zentrale.«
Mama nickte. »Soll ich dich begleiten? Brauchst du meine Hilfe?«
Emily nickte. »Ich habe gehofft, dass du mitkommst. Du weißt doch, dass ich Angst im Dunkeln habe.«
Mama stand auf und zog sich ebenfalls dunkle Klamotten über. »Ich bin bereit. Lass uns gehen. Du hast eine Mission zu erfüllen.«
Sie verließen das Haus durch die Glastür des Wohnzimmers. Sie schlichen auf Zehenspitzen über die Wiese, bis sie vor einem Baum standen. Emily klopfte den vereinbarten Code. Wenige Sekunden später öffnete sie eine bis dahin verborgene, kleine Tür im Baumstamm. Dahinter lag die Einsatzzentrale des Einsatzteams der Eichhörnchen, mit denen Emily schon viele Einsätze bestritten hatte.
»Was ist passiert? Wird die Welt durch einen gefährlichen Bösewicht bedroht?«
Das wachhabende Eichhörnchen schüttelte den Kopf. Das Problem war weitaus größer. Es zeigte auf die pelzigen Kollegen, die alle müde und wie erschlagen in den Ecken des kleinen Raums lagen. Sie hatten kaum noch Kraft, sie von ihren Plätzen zu erheben.
»Aber wie ist das möglich?«, wunderte sich Emily. Wir haben schon eine ganze Weile keinen Fall mehr lösen müssen. Da stimmt doch etwas nicht.«
Aber leider war es so. Die Eichhörnchen waren rund um die müde, obwohl sie anderes mehr taten, als zu schlafen.
Emily sah sich um. Sie musste ihrem Team schnellstens helfen. Gemeinsam mit Mama ging sie ein paar Mal um den Baum herum. Sie fanden nichts. Sie blickte noch einmal auf ihre kleinen Helfer. Da fiel ihr etwas auf.
»Warum habt ihr denn so viel Sand in den Augen? Das ist viel mehr als normal.« Emily erinnerte sich, dass sie morgens nach dem Aufstehen auch immer kleine Krümel in den Augenwinkel kleben hatte.
Sie ging ein weiteres Mal um den Baum herum, klopfte ihn ab, bis sie einen bisher nicht entdeckten Hohlraum fand. Emily klappte eine Tür auf und fand eine Kammer, in der jemand saß. Er sah aus, wie ein Zwerg und hatte einen Sack Sand vor sich liegen. »Bist du das Sandmännchen?«, fragte sie ungläubig.
»Ja!«, sagte das Sandmännchen grimmig. »Und es sollte mich hier eigentlich niemand finden. Mein Plan hätte funktioniert, wenn die verdammten Schlafhörnchen nicht gepetzt hätten. Aber du wirst mich niemals zu fassen bekommen.«
Das Sandmännchen sprang an Emily vorbei und verschwand in der Dunkelheit der Nacht. Augenblicklich wurden die Eichhörnchen wieder fitter und wacher. Der Fall war gelöst.
(c) 2022, Marco Wittler
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