Das heiße Sonnenlicht
oder »Papa, bekommt die Sonne einen Sonnenbrand?«
Es war ein unglaublich heißer Tag. Seit den frühen Morgenstunden stand die Sonne am Himmel und schickte ihre Strahlen zur Erde hinab. Das tat sie nicht nur heute. In den letzten drei Wochen hatte es kein anderes Wetter mehr gegeben. Deswegen zeigte das Thermometer auch fast vierzig Grad an.
Sofie und Papa lagen im Garten auf ihren Liegestühlen, die unter einem großen Sonnenschirm standen. Die vier Füße baumelten die ganze Zeit in einem Planschbecken. Nur so ließ sich die Hitze überhaupt aushalten.
»Hast du dich eigentlich noch einmal eingecremt?«, fragte Papa. »Du weißt doch, dass man auch im Schatten einen Sonnenbrand bekommen kann.«
Sofie griff sofort zur Sonnencreme und schmierte sich wieder gründlich ein. Plötzlich hielt sie inne und blickte nachdenklich zum Himmel. Papa wusste natürlich sofort, was das bedeutete.
»Papa, bekommt die Sonne auch einen Sonnenbrand, wenn sie sich nicht eincremt?«
Papa kratzte sich am Kinn und überlegte. »Das ist eine sehr gute Frage.«, antwortete er schließlich. »Dazu fällt mir eine Geschichte ein, die ich erst kürzlich gehört habe. Sie handelt zufällig von der Sonne und einem Becken voll mit Sonnencreme. Die werde ich dir jetzt erzählen.«
Sofie strahlte über das ganze Gesicht.
»Oh ja, eine Geschichte.«
»Und wie fängt eine Geschichte immer an?«, fragte Papa.
Sofie lachte schon voller Vorfreude und antwortete: »Ich weiß es. Sie beginnt mit den Worten ›Es war einmal‹.«
»Ja, das stimmt. Absolut richtig. Also, es war einmal …«
Es war einmal ein unglaublich heißer Tag. Es war so heiß, dass die Thermometer vierzig Grad angezeigt hätten, wenn sie nur schon jemand erfunden hätte. Aber bis dahin sollte noch sehr viel Zeit ins Land gehen.
Schon sehr früh am Morgen war die Sonne aufgestanden, hatte ihr heißes Feuer entzündet und war damit über den Horizont geklettert. Nun näherte sie sich immer weiter dem Zenit, dem höchsten Punkt ihrer Tagesreise.
Die Sonne sah herab zur Erde. Unter ihr funkelten die blauen Ozeane und reflektierten das Licht zurück zum Himmel.
»Ach, du meine Güte.« Die Sonne erschrak, als sie ihr Spiegelbild im Wasser sah. Schlagartig fiel ihr ein, dass sie etwas vergessen hatte. »Ich habe mich nicht eingecremt. Ich werde einen Sonnenbrand bekommen.«
Die Sonne blickte hinab und entdeckte hinter dem Horizont verzweifelt winkende Sterne, die noch immer eine große Wanne mit Sonnencreme bereit hielten. »Tut mit leid, Jungs. Wie konnte ich das nur vergessen? Ich beeile mich.«
Die Sonne blickte sich um. Es war niemand zu sehen. Nicht auszudenken, was der Mond sagen würde, wenn er davon erführe.
Die Sonne hielt sich die Nase zu, sprang und landete unglücklich auf dem Wannenrand. Die Wanne kippte um und die Creme ergoss sich ins Nirgendwo.
»Verdammt!« Aber jetzt war es zu spät. Eine neue Wanne würden die Sterne erst zum nächsten Tag gefüllt haben. »Dann muss ich jetzt wohl in den sauren Apfel beißen und meinen Job erledigen.« Die Sonne setzte sich eine Sonnenbrille auf und machte sich erneut auf den Weg zum Zenit. Dabei brannte ihr ihr eigenes Licht gnadenlos entgegen.
»Puh, was bin ich heiß. Das ist ja kaum auszuhalten.« Schon tat es auf der Haut weh und erste dunkle Stellen bildeten sich. »Verdammt! Jetzt bekomme ich auch noch Sonnenflecken. So habe ich mir das aber nicht vorgestellt. Ich werde nie wieder die Sonnencreme vergessen.«
»Und die Sonne hat wirklich Flecken bekommen, weil sie keine Sonnencreme benutzt hat?«, fragte Sofie ungläubig.
Papa nickte. »Das passiert der Sonne ab und zu mal. Wenn man mit einem speziellen Teleskop ganz genau hinschaut, kann man das sogar sehen.«
»Das war eine sehr schöne Geschichte.«, sagte Sofie.
Papa war zufrieden als er das hörte. Doch dann fiel seiner Tochter noch etwas ein.
»Aber ich glaube dir trotzdem kein einziges Wort davon.«
Grinsend lehnte sie sich in ihrem Liegestuhl zurück und setzte ihre viel zu große Sonnenbrille auf.
Papa hingegen stand auf, ging in sein Gartenhaus und kam mit einem Teleskop zurück, das er auf die Wiese stellte. »Da drin steckt eine speziell geschwärzte Linse. Damit können wir die Sonne anschauen.«
Das ließ sich Sofie natürlich nicht zweimal sagen. Zum ersten Mal in ihrem Leben warf sie einen direkten Blick zur Sonne. »Du meine Güte. Du hattest Recht. Ich kann die Flecken ganz genau sehen. Ich glaube, ich creme mich ganz schnell noch einmal ein.«
(c) 2022, Marco Wittler
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