1560. Weihnachten ist vorbei oder »Papa, was macht der Weihnachtsmann nach der Arbeit?« (Papa erklärt die Welt)

Weihnachten ist vorbei

oder »Papa, was macht der Weihnachtsmann nach der Arbeit?«

Sofie saß im Wohnzimmer, hatte eine kleine Schüssel mit Weihnachtsplätzchen und las ein Buch. Nicki und Klaus stand auf dem Einband und handelte von einem Jungen, dem in der Schule erzählt wurde, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Später trifft er dann allerdings Klaus, der sich als Weihnachtsmann zu erkennen gibt und Nicki mit auf eine abenteuerliche Reise nimmt.
Sofie hatte gerade die letzte Seite erreicht und mit großer Spannung das Ende gelesen. Sie klappte das Buch zu und legte es zur Seite und begann über etwas nachzudenken Dann blickte sie zu Papa, der gerade in der Zeitung blätterte. »Papa, was macht eigentlich der Weihnachtsmann nach der Arbeit? Hat er dann ein ganzes Jahr frei und macht Urlaub? Wird das nicht irgendwann langweilig?«
Papa blickte überrascht auf. Damit hatte er nicht gerechnet.
»Das ist eine sehr gute Frage.«, antwortete er schließlich. »Dazu fällt mir eine Geschichte ein, die ich erst kürzlich gehört habe. Sie handelt zufällig von der Zeit nach Weihnachten. Und die werde ich dir jetzt erzählen.«
Sofie strahlte über das ganze Gesicht.
»Oh ja, eine Geschichte.«
»Und wie fängt eine Geschichte immer an?«, fragte Papa.
Sofie lachte schon voller Vorfreude und antwortete: »Ich weiß es. Sie beginnt mit den Worten ›Es war einmal‹.«
»Ja, das stimmt. Absolut richtig. Also, es war einmal …«

Es war einmal zur Weihnachtszeit am Nordpol ein kleiner Wichtel in der Werkstatt des Weihnachtsmanns. Die letzten Monate hatte er so viel gearbeitet, dass er nun unglaublich müde war. Deshalb hatte er auch am Heiligabend den Abflug des Chefs verpasst, der nun mit seinen Rentieren um die ganze Welt flog, um die artigen und die nicht so artigen Kinder zu beschenken. Während der Wichtel noch darüber nachdachte, ob es klug war, auch die Unartigen zu beschenken und warum sein Chef so nett war, lehnte er sich in seinem Sessel zurück und schlief ein.
Es verging ein Tag, dann ein zweiter. Doch das fiel dem Wichtel gar nicht auf, denn zu dieser Jahreszeit wurde es am Nordpol nicht hell. Dem Winter gefiel es viel zu sehr in ewiger Dunkelheit zu liegen. Das mochte wohl auch daran liegen, dass er irgendwann seine Sonnenbrille verloren hatte.
Irgendwann klopfte es an der Tür. Der Wichtel schreckte hoch und sah sich verwirrt um. »Wo bin ich? Was ist geschehen?« Und dann fiel es ihm wieder ein. Er saß in seinem kleinen Heim und war vor dem Kamin eingeschlafen. »Das ist ja seltsam. Warum ist denn das Feuer schon erloschen? Habe ich so lange geschlafen?« Er blickte auf die Uhr. Ganze zwei Tage waren vergangen.
Der Wichtel sprang auf, lief zur Tür und öffnete. Draußen standen seine Kollegen. »Was ist los mit dir? Kommst du endlich? Es ist gleich so weit.«
»Äh … was?« Da fiel es ihm ein. Der Weihnachtsmann würde bald wieder am Nordpol eintreffen. Es war an der Zeit für die Weihnachtsfeier im ewigen Eis.
Bin gleich da. Ich muss mich nur umziehen. Ich habe doch glatt verschlafen. Ich komme gleich nach.« Der Wichtel schloss die Tür und eilte von einer Ecke zur nächsten. »Ich habe noch gar kein Geschenk für den Chef. Was mache ich jetzt nur? Es ist zu spät, noch eins zu basteln.«
Sein Blick fiel auf den Stapel Brennholz in der Ecke. Der Wichtel zuckte mit den Schultern und griff nach einem besonders dicken Holzstamm, der bestimmt einen halben Meter lang war. Er band eine rote Schleife darum, legte ihn sich auf die Schulter und machte sich auf den Weg zum Büro.
Im selben Augenblick landete der große Schlitten auf dem Platz zwischen den Gebäuden. Die Rentiere sahen abgekämpft und müde aus. Sie waren bestimmt in mehr als einen Schneesturm auf ihrer Reise geraten. Das geschah ihnen leider fast jedes Jahr. Das Wetter konnte der Weihnachtsmann nämlich nicht beeinflussen.
Der Chef stieg aus. Er streckte sich und gähnte laut. »Leute, ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie ich mich auf mein Bett freue. Ich werde bestimmt eine ganze Woche durchschlafen.«
Den großen Geschenkesack übergab er fleißigen Helfern, einen kleineren schulterte er selbst. Darin hatte er jede Menge Überraschungen für seine Rentiere und Wichtel mitgebracht, die er auf der Weihnachtsfeier verteilen wollte.
Es war alles vorbereitet. Auf dem Schreibtisch um Büro standen Glaskaraffen mit warmem Punsch und große Schüsseln mit Keksen und Plätzchen. Die Wände waren großzügig dekoriert. In einer Ecke des Raumes stand ein leuchtender Tannenbaum mit bunten Kugeln und einer ewig langen Lichterkette. Alle waren sie gekommen und warteten nur noch auf die Hauptperson.
Der Weihnachtsmann trat ein. Von einem Moment auf den nächsten war er wieder hellwach. Die Müdigkeit fiel von ihm ab und machte großer Freude Platz. »Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie schön es ist, wieder Zuhause zu sein, umringt von denen, die ich besonders lieb habe.« Er drückte allen die Hand und danach fest an seine Brust, bevor er sich in seinem großen Sessel niederließ. Das erinnerte ihn gleich an etwas, das er unterwegs gesehen hatte. »Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viele Doppelgänger ich von mir auf der ganze Welt gesehen habe. Sie saßen ebenfalls in großen Sesseln, waren von vielen Kindern mit strahlenden Augen umringt und haben rührende Geschichten über Weihnachten erzählt. Das war richtig toll.« Er seufzte wohlig. Dann wurde ihm plötzlich bewusst, dass ihn die harte Arbeit der letzten Tage ganz schön hungrig gemacht hatte. »Ich darf doch?« Er stopfte sich einen großen Keks in den Mund, trank einen Humpen Punsch hinterher und forderte seine Gäste dazu auf, sich ebenfalls zu bedienen.
Nach und nach holte der Weihnachtsmann Geschenke aus seinem Sack, verteilte sie und sprach dabei mit jedem Wichtel, jeder Wichtelin und allen Rentieren. Er hörte ihnen aufmerksam zu, sprach über erfreuliche Dinge und auch darüber, was zu diesem Weihnachten nicht so gut gelaufen war. Und dann bekam auch er ein kleines Geschenk zurück.
So einfallsreich seine helfenden Hände in der Werkstatt waren, so wenig Ideen hatten sie, was sie ihm selbst schenken sollten. In jedem Paket fanden sich Milchbecher, Keksdosen, rote Mützen und dicke Handschuhe. Manchmal gab es noch ein Bartpflegeprodukt, doch auch davon hatte der Weihnachtsmann schon mehr als genug im Schrank stehen. Ein paar wenige Freunde schenkten ihm sogar Badehosen für den anstehenden Urlaub, obwohl es am Nordpol so kalt war, dass jedes Freibad sofort einfror. Trotzdem bedankte er sich, freute sich jedes Mal wie ein kleines Kind und herzte sie alle dafür.
Irgendwann stand ihm ein Wichtel gegenüber, der einen knallroten Kopf hatte. Ihm schien irgendwas unangenehm zu sein.
»Stimmt etwas nicht mit dir?«, fragte der Weihnachtsmann besorgt. »Bist du überarbeitet oder hat die etwas in diesem Jahr überfordert? Was es auch ist, ich möchte es erfahren, damit wir es beim nächsten Mal besser machen können.«
Der Wichtel schüttelte den Kopf und ließ ihn dann hängen. »Es ist alles in bester Ordnung. Ich liebe alles an Weihnachten. Ich habe dieses Jahr allerdings kein richtiges Geschenk für dich gefunden. Mir blieb einfach keine Zeit mehr, weil ich so müde war.«
Der Weihnachtsmann nickte verständnisvoll. »Das kann ich dir sehr gut nachfühlen. Ich bin auch unglaublich müde und möchte ein paar Tage schnarchend unter meiner Bettdecke liegen, ohne dass mich jemand stört.« Er lachte und hielt sich den kugelrunden Bauch. »Was es auch ist, ich werde mich über jedes Geschenk freuen, selbst wenn es nur ein leichter Händedruck ist.«
Der Wichtel atmete erleichtert auf und holte den Holzstamm hinter seinem Rücken hervor. Er drückte ihn dem Weihnachtsmann in die Hand. »Ich wünsche dir alles Gute zu Weihnachten und hoffe, du kannst damit etwas anfangen.« Erst da wurde dem Wichtel bewusst, dass der Chef gar keinen Kamin besaß.
Der Weihnachtsmann riss vor Überraschung seine Augen auf. »Das ist ja ein krasses Weihnachtsgeschenk. Woher wusstest du, dass ich mir schon seit Jahren so ein schönes Stück Holz wünsche?«
Der Wichtel runzelte die Stirn. Er wusste nicht, was er von dieser Antwort halten sollte. »Jetzt veräppelst du mich aber. Das ist doch nur ein Stück Brennholz.«
Der Weihnachtsmann schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Das ist so viel mehr.« Er griff sich den Holzstamm mit der einen Hand, den Wichtel mit der anderen. »Komm mal mit, ich werde dir etwas zeigen.«
Er ging auf eine Tür in der Seitenwand zu und betrat den Nebenraum. Dort hingen, standen und lagen überall Werkzeuge und Maschinen, die wohl noch nie zuvor benutzt worden waren. »Das ist meine Holzwerkstatt, die ich mir vor langer Zeit eingerichtet habe. Leider bin ich nie dazu gekommen, sie zu benutzen. Es gibt einfach zu wenig Holz am Nordpol. Aber jetzt kann ich endlich meinen kreativen Ideen Raum geben.«
Er setzte den Wichtel auf dem Arbeitstisch ab, spannte das Holz in eine Drehbank und setzte sich und seinem Begleiter eine Schutzbrille auf. »Sicherheit geht vor.«
Er warf die Maschine an und drechselte eine formschöne Figur. »Schau mal, mein Freund. Ein Kegel. Damit kann ich mir endlich einen weiteren Traum erfüllen. Das wird nämlich der erste Teil unserer zukünftigen Bowlinghalle. Wie findest du das?«
Der Wichtel hob den Daumen und grinste. »Du und dein Holz.« Er lachte. »Die erste Partie spielst du dann aber gegen mich.«
Der Weihnachtsmann nickte begeistert. »Abgemacht. Dafür besorgst du mir noch mehr Holz.«

Sofie machte große Augen, so groß, wie sie beim Weihnachtsmann geworden waren, als er das Holz gesehen hatte. »Der Weihnachtsmann werkt gerne mit Holz? Ist das dein Ernst?«
Papa nickte. »Natürlich. Was denkst denn du? Jeder braucht ein Hobby, mit dem er oder sie die Freizeit verbringt und Langeweile vertreibt. Außerdem kann man aus Holz ganz viele tolle Sachen machen.« Er kramte in seiner Hosentasche und holte einen winzig kleinen Kegel darauf hervor. »Den hat er übrigens für dich hier gelassen. Ist nur ein kleiner Beweis dafür, dass meine Geschichte wahr ist. Der Weihnachtsmann wusste nämlich, dass du mit antworten wirst, dass du mir kein einziges Wort glauben wirst.«
Nun wurden Sofies Augen noch größer. »Jetzt ehrlich?« Sie nahm den kleinen Kegel in die Hand und betrachtete ihn fasziniert von allen Seiten.
»Das ist das beste Geschenk aller Zeiten.« Doch dann grinste sie. »Die Geschichte war toll. Ich glaube dir trotzdem kein einziges Wort davon.« Sie drehte den Kegel um und hielt Papa de Boden unter die Nase. »Da steht Made in China drauf.«

(c) 2023, Marco Wittler

Unser Score
Klicke, um diesen Beitrag zu bewerten!
[Gesamt: 0 Durchschnitt: 0]

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*