1569. Killerkartoffeln

Killerkartoffeln

Michael stand hinter dem Verkaufstresen seiner Pommesbude und füllte gerade seine Salatbar auf. Das machte er jeden Tag. Daran war auch nichts Besonderes. Und trotzdem stimmte irgendwas nicht.
Michael runzelte die Stirn. Er blickte auf und sah sich um. Nicht nur sein Laden war leer, auch auf der sonst stark befahrenen Straße war kein Fußgänger, kein Auto und nichts zu sehen. Die Stadt schien den Atem angehalten zu haben oder sich in einem Dornröschenschlaf zu befinden.
»Was zum Geier geht da vor sich?«
Er stellte die letzte Schale ab, wischte mit seinen Händen einmal über seine Schürze und kam hinter der Theke hervor. Der Blick aus dem Fenster half nicht weiter. Martin musste vor die Tür treten.
Die wenigen Grillen, die man an manchen Abenden in Nachbars Garten hören konnte, waren verstummt. Selbst der Wind, der meist zwischen den Häusern hindurch pfiff, war nicht zu spüren.
»Was geschieht denn hier? Hab ich etwas verpasst?«
Martin blickte auf seine Armbanduhr. Die Zeiger bewegten sich ganz normal. Die Zeit war also nicht stehengeblieben, wie er es schon oft im Kino gesehen hatte. »Aber was ist es dann? Greifen uns gleich Zombies oder Aliens an? Stürzt ein Asteroid auf die Erde? Haben alle anderen vor einer Gefahr Schutz gesucht? Ich kann unmöglich der letzte Mensch in der Stadt sein.
Da hörte er ein leises Kichern hinter sich, das gut von einem Filmbösewicht hätte stammen können. Martin schluckte schwer. Er schloss kurz die Augen, atmete tief ein und drehte sich schließlich um. »Hä?« Martin sah niemanden. Hatte er etwa halluziniert und sich das Kichern nur eingebildet? Er rieb sie über die Augen, sah sich nicht einmal genau um und entdeckte eine Armee aus Kartoffeln auf dem Boden. Sie waren mit Gabeln und Zahnstochern bewaffnet und blickten ihn wütend an.
»Deine Zeit ist abgelaufen. Du wirst nie wieder eine von uns in Pommesstreifen schneiden und frittieren. Deine Gräueltaten finden hier und jetzt ein Ende.«
Die Kartoffel, die in der ersten Reihe stand, drehte sich zu den anderen um. »Wir kennen keine Gnade. Zeigt ihm, woraus wir gemacht sind. Angriff!«
Martin schrie auf, nahm die Beine in die Hände und lief los. Er wollte sich auf keinen Fall von einer wilden Kartoffelhorde niedermetzeln lassen. Er bog um die nächste Ecke und suchte sich verzweifelt ein Versteck zwischen einer Mülltonne und einem Busch.
»Er ist weg. Der Plan hat tatsächlich funktioniert. Damit hätte ich nie gerechnet.«
Aus dem dichten Grün einer Baumkrone sprangen mehrere Kinder auf den Gehweg hinab. Sie legten ihre Kartoffelmarionetten zur Seite und betraten Martins Imbiss. »Pommes für alle!«, jubelten sie laut und machten sich über die Fritteuse her.

(c) 2024, Marco Wittler

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