1656. Große scharfe Zähne

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Bitte lies meine Geschichten einmal selbst, bevor du sie deinen Kindern vorliest. Sie sind zu Halloween etwas gruseliger, auch wenn sie lustig enden. Bitte bewerte vorher, ob dein Kind die Geschichten bereits versteht, damit umgehen kann und sich nicht zu sehr gruselt.

Große scharfe Zähne

Nach einem langen und ungewöhnlich warmen Herbsttag, neigte sich der Tag seinem Ende entgegen und die Sonne verschwand alsbald hinter dem Horizont. Gründlich wie sie war, zog sie eine große, schwarze Decke hinter sich her, mit der sie den Himmel bedeckte und es Nacht werden ließ.
Nach und nach tauchten erste Sterne auf, als würde jemand von außerhalb mit einer kleinen Nadel Löcher in die Decke stechen, um zu schauen, was sich darunter befand. Jetzt fehlte nur noch der Mond.
Seine helle, weiß leuchtende Scheibe ließ noch eine Weile auf sich warten. Erst zur Mitternacht, dem Beginn der Geisterstunde, schickte sich ein rundes, pausbackiges Gesicht an, seinen Platz am Firmament einzunehmen und mit seinem Lächeln der Welt einen geruhsamen Schlaf zu wünschen.
Mittlerweile schliefen die Menschen in den Dörfern und Städten schon eine ganze Weile und auch die Tiere im Wald hatten sich sichere Verstecke gesucht, in denen sie Kraft für den kommenden Tag schöpfen konnten. Nur ein Geschöpf, konnte den Weg ins Traumland nicht finden.
Ein großes, zotteliges Monster mit blauem Fell und langen gewundenen Hörnern auf dem Kopf drehte sich auf seinem Bett ununterbrochen hin und her.
„Ich hasse diese Vollmondnächte. Ich kann es nicht leiden, wenn dieser neugierige Mond durch mein Fenster schaut und mich beobachtet. Hätte ich bloß nicht am Nachmittag meine Gardinen gewaschen. Warum passiert mir das eigentlich jedes Mal?“
Das Monster sah nach draußen. Sein Blick traf den des Mondes, also wandte es sofort seinen Kopf zur Seite. „Lass mich endlich in Ruhe. Ich will doch einfach nur schlafen. Geh weg.“ Doch der Mond ließ sich davon nicht beeinflussen. Er hing weiter am Himmel und sah lächelnd zur Erde herab.
Irgendwann wurde es dem Monster zu bunt. Vielleicht lag es daran, dass es sein Lieblingsspielzeug, ein Kaleidoskop, auf der Fensterbank hatte liegenlassen, vielleicht lag es aber doch nur daran, dass es allein sein wollte. Es stand auf, verließ das Schlafzimmer und zog sich seine Stiefel über. Bevor es vor das Haus trat, schluckte es noch einmal schwer. „Was, wenn ich einem wilden Tier begegne, das noch nicht zu Abend gegessen hat oder einem Menschen, die ganz besonders grausam sein sollen?“
Auch wenn es noch nie zuvor einem Menschen begegnet war und es kein einziges Tier kannte, dass größer war, als es selbst, kroch die Furcht langsam über die Zehenspitzen die Beine empor und suchte sich seinen Weg bis in die obersten Haarspitzen auf dem Kopf. Das Monster begann zu zittern. Sollte wirklich um diese Zeit einen Spaziergang machen?
„Anders werde ich eh nicht müde genug, um beim Mondlicht einzuschlafen.“ Es gab sich einen Ruck und stand kurz darauf mitten im Wald unter Bäumen.
Nur langsam und auf leisesten Sohlen schlich das Monster durch den Wald. Es wollte auf keinen Fall irgendwen beim Schlafen stören und erst recht nicht bei allen anderen auf der Speisekarte landen. Immer wieder blieb es stehen, suchte den Schatten besonders grober Bäume auf, in denen es sich verstecken konnte, denn ständig waren da unheimliche Geräusche. Uhus riefen von ihren erhöhten Sitzplätzen herunter, Äste knackten und kleine Windböen pfiffen durch die Büsche ein seltsam klingendes Lied.
„Das ist so unheimlich hier. Ich hätte lieber im Bett bleiben sollen. Da wäre ich wenigstens sicher.“ Es entschloss sich, sofort umzukehren, hatte aber das ungute Gefühl, noch vor dem Ziel gefressen zu werden.
Plötzlich blitzte es in der Dunkelheit auf. Ein Lichtstrahl des Mondes spiegelte sich auf zwei feucht glänzenden Zähnen, die nichts Gutes verhießen. Das Monster schrie.
„Hey, was soll denn das? Bist du verrückt geworden?“ Die Zähne kamen näher und entpuppten sich als kleines Kaninchen, das das Monster freundlich anlächelte. „Wenn du hier so einen Lärm machst, wissen Wolf und Fuchs sofort, wo wir sind und machen Jagd auf uns. Also halt lieber die Klappe.“
Das Monster schlug die Hände vor den Mund und nickte stumm, bevor es zu flüstern begann. „Mensch, Kaninchen, du hast mir aber einen Schrecken eingejagt. Ich konnte doch nicht ahnen, dass das deine Zähne waren.“ Es atmete erleichtert auf. „Jetzt geht es mir schon sehr viel besser. Bei dir muss ich keine Angst haben, dass du jemanden auf brutale Art und Weise fressen wirst.“
Das Kaninchen nickte zustimmend. „Das wäre ja auch eine ganz seltsame Idee, meinst du nicht auch?“ Es winkte das Monster weiter. „Dann sieh mal zu, dass du nach Hause kommst, bevor dich jemand verspeist.“
Das Monster verabschiedete sich und war schon bald hinter der nächsten Kurve verschwunden. Von dort aus waren es nur noch wenige Schritte bis zu seinem Haus.
Das Kaninchen hingegen sah sich verstohlen um. Es war niemand in der Nähe. Auf diesen Moment hatte es nur gewartet. Es ging weiter, trat kurz darauf auf eine Lichtung hinaus und griff unbarmherzig zu Sein Opfer, das sich bis gerade eben noch in einem kleinen Loch im Boden versteckt hatte, wurde mit roher Gewalt herausgezogen. „Ha, damit hast du wohl nicht gerechnet. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass du dich nicht für immer verstecken kannst. Du gehörst jetzt mir. Das wird dein Ende sein.“
Das Kaninchen öffnete sein Maul. Wieder blitzten seine Zähne im Mondlicht auf, die es anschließend brutal in den kleinen Körper rammte und einen großen Bissen herausriss.
Die unschuldige Möhre wusste, dass dies nun ihr Ende war und verschwand alsbald im Magen des Kaninchens.

(c) 2024, Marco Wittler

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