1657. Das grüne Monster

TRIGGER WARNUNG / CONTENT NOTE:
Bitte lies meine Geschichten einmal selbst, bevor du sie deinen Kindern vorliest. Sie sind zu Halloween etwas gruseliger, auch wenn sie lustig enden. Bitte bewerte vorher, ob dein Kind die Geschichten bereits versteht, damit umgehen kann und sich nicht zu sehr gruselt.

Das grüne Monster

„Pssst! Mach nicht so einen Krach. Sei leise.“
Der kleine Maulwurf Piet kletterte aus einem Erdhügel und hielt einen Finger an seine Lippen. Wie konnte man nur mitten in der Nacht so viel Lärm machen?
„Entschuldige. Tut mir leid.“ Siggi, ein kleines, dickes Kaninchen, wurde rot im Gesicht.
„Die Nacht ist gefährlich. Hinter jeder Ecke könnte ein Raubtier lauern, dass uns, ohne mit der Wimper zu zucken, sofort auffressen würde. Ich habe keine Lust, als Nachtmahl auf der Speisekarte zu langen.“
Einmal mit Profis arbeiten. Piet bereute es jetzt schon, den Hoppler um Hilfe gebeten zu haben. Siggi war zwar sein bester Freund, bei tagaktive Tiere wussten einfach nicht, worauf es in der Dunkelheit ankam.
„Und damit du es weißt, ich bin nicht tagaktiv.“, beschwerte sich Siggi, als hätte er die Gedanken seines Freundes gelesen. „Meine Freunde und ich mögen die Dämmerung. Wir kümmern und bei Sonnenaufgang- und Sonnenuntergang um unser Futter. Dann schaut der Himmel nämlich besonders schön aus.“
„Ich habe es verstanden.“ Der Maulwurf nahm das Kaninchen an die Hand, prüfte noch einmal, dass sie beide ihre Rucksäcke aufgesetzt hatten und zog es hinter sich her. „Wir haben nicht viel Zeit. Der Bauer kommt schon sehr früh auf sein Feld und passt dann auf, wie ein Schießhund. Nur in der Nacht können wir ihm seine Möhren klauen.“
Eigentlich machte sich Piet nichts aus Möhren und Karotten. Aber er hatte es Siggi versprochen, den Kaninchenbau für den Winter fit zu machen. Dafür brauchte es eben geeignetes Wurzelwerk.
Sie erreichten den Rand des Feldes innerhalb weniger Minuten. So weit das Auge reichte, wuchsen kleine, grüne Büsche in die Höhe. Unter jedem versteckte sich eine Möhre.
Schon wollte Siggi weiter gehen und die Ernte beginnen, da hielt ihn Piet auf.
„Nicht so voreilig. Wir haben zwar nicht so viel Zeit, aber wir dürfen uns keine Flüchtigkeitsfehler erlauben, die uns am Ende vielleicht das Leben kosten.“
Siggi sah ihn fragend an.
„Na ja, ich habe da etwas gehört. In der Gerüchteküche der Maulwürfe heißt es, dass hier ein Ungeheuer sein Unwesen treibt. Eigentlich soll es ganz harmlos sein. Wenn man es aber reizt, wird es sehr schnell wütend. Die Wut steigert ich ins Unermessliche. Dann wächst es an, wird größer und größer. Seine Haut färbt sich grün. Es wird stark wie zehn Ochsen. Mindestens. Und dann haut es alles kurz und klein. Wer dann nicht schnell genug abhauen kann, kommt unter die Räder.“
Siggis Augen wurden groß. „Das ist ja krass. Du meinst, hier lauert der unglaubliche Hulk auf uns?“
Piet legte die Stirn in Falten, schaute das Kaninchen fragend an „Der unglaubliche wer?“
„Sag bloß, du kennst den unglaublichen Hulk nicht. Das ist ein Superheldencomic der Menschen. Letztens hat ein Mensch eines davon nach dem Picknick auf meiner Wiese vergessen. Die Geschichte war so unglaublich …“
„Nein, es ist kein Superheld aus irgendeinem Comic.“, unterbrach ihn Piet genervt. „Es ist eine real existierende Kreatur, die dir das Leben nehmen wird, wenn du jetzt nicht gleich aufhörst, so einen Blödsinn zu erzählen.“
Siggi nickte und verstummte. Trotzdem wäre er schwer begeistert, könnte er dem grünen Comichelden in dieser Nacht begegnen.
Sie blickten sich um. Niemand war zu sehen. Sie waren ganz allein. Also betraten sie das Feld und zogen eine Möhre nach der anderen aus dem Boden und verstauten sie in den mitgebrachten Rucksäcken.
Plötzlich hörten sie hinter sich ein Geräusch, das kaum in Worte zu fassen war. Es klang, als würde jemandem literweise Schleim aus dem Maul tropfen und anschließen durch eine klebrige Pfütze schlurfen. es folgten ein Knacken und ein Schmatzen.
„Mist, verdammt!“ Piet blieb wie angewurzelt stehen und zitterte am ganzen Körper. „Das grüne Monster hat uns entdeckt. Jetzt nur keine falsche Bewegung machen.“ Langsam drehte er sich um, sah sich einem langen Etwas gegenüber, dessen Augen auf langen Stielen saßen, die weit aus dem Kopf herausragten. Die Beine waren dafür umso kürzer. Entweder verschwanden sie unter dem Körper oder waren gar nicht erst vorhanden. Die Haut schien selbst in der Dunkelheit der Nacht giftgrün zu leuchten. Noch kaute es auf einer Möhre, aber schon bald würde es sich bestimmt auf den Maulwurf und das Kaninchen stürzen.
„Es … es ist grün. Es muss uns entdeckt haben Und jetzt eine krasse Wut auf uns.“
Siggi seufzte und schüttelte den Kopf. „Was ist los mit dir, Piet? Hast du Tomaten auf den Augen?“ Er ging auf das grüne Wesen zu und klopfte ihm auf den Rücken. „Das ist Heinrich, du weißt schon, die Schnecke, die nebenan wohnt. Erkennst du ihn nicht?“
Heinrich kicherte und legte die angekaufte Möhre weg. „Tut mir leid, Piet, dass ich dich so erschreckt habe. Ich habe in den letzten Stunden so viel Brokkoli gegessen, dass ich jetzt von Kopf bis Fuß grün geworden bin.“ Ein weiteres Geräusch ertönte, dem ein unangenehmer Geruch folgte, der sich schnell verbreitete. „Aber dafür kann ich jetzt beim Furzen richtig gut stinken. Das hält die schlimmsten Raubtiere fern.“

(c) 2024, Marco Wittler

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*