738. Ich stellte ihr eine große Falle (Mann und Manni 02)

Ich stellte ihr eine große Falle

Ich erwachte in völliger Dunkelheit. Nirgendwo war Licht. Mein Rücken schmerzte, die Beine waren taub. Ich konnte mich kaum bewegen, fühlte mich wie eingeschnürt. Hatte man mich entführt, verschnürt und versteckt?
Erst als die letzten Reste des Schlafs von mir abgefallen waren, kamen die Erinnerungen in meinen Kopf zurück.
Ich hatte mich selbst in die Kiste im Regal gelegt, so wie ich es jeden Abend tat. Ich reckte und streckte mich. Erst ein Bein, dann das zweite, dritte und zum Schluss alle vier. Als letzter Folge mein Schwanz. Dann hob ich meinen dicken Bauch und kletterte aus meinem Lieblingsversteck.
Ach ja, falls ich es noch nicht erwähnt habe, ich bin Manni, der Kater.
Ich bog meinen lädierten Rücken durch, tappte durch die dunkle Wohnung und suchte mein Katzenklo auf. Dabei musste ich mich besonders leise anstellen, um nicht Lord Schweinenase aufzuwecken,meinen Erzfeind, wenn es um die Herrschaft über die Futternäpfe ging.
Und dann war da plötzlich dieses Geräusch. Klack! Klack! Klack! Klack!
Verdammt! Wieder vergessen, meine Krallen einzuziehen. Ich sah mich schnell um. Lord Schweinenase lag noch immer reglos auf dem Sofa und träumte wahrscheinlich von seiner Jagd nach kleinen Fellmäusen aus dem Zoofachgeschäft. Der würde wohl nie wirklich erwachsen werden.
Schon wollte ich meinen Weg fortsetzen, als ich das Geräusch erneut wahrnahm.
Klack! Klack! Klack! Klack!
Ich sah verwirrt auf meine vier Pfoten. Ich hatte mich nicht vom Fleck bewegt. Wer lief denn hier durch die Wohnung?
Ich blickte noch einmal Den Lord an. Doch der schlief. Hm. Wirklich? Oder wollte er mir einen Streich spielen? Trieb er einen Schabernack mit mir?
Ich schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich war es die Müdigkeit, die mich Dinge hören ließ, die es nicht gab.
Ich ging weiter, verrichtete die nicht verschiebbaren Geschäfte und verzog mich dann wieder in meine Kiste im Regal.
Kaum hatte ich mich gemütlich eingerollt, griff auch schon der Schlaf mit seinen langen Krallen nach mir. Doch bevor ich den Kampf gegen ihn verlor, hörte ich es ein drittes Mal.
Klack! Klack! Klack! Klack!
Alles, was danach kam, war von dem Mantel eines langen, langweiligen Traums verdeckt.

Erst mit dem späten Aufgang der Sonne wurde ich wieder wach. Der Mann war bereits aufgestanden und auch seine Frau saß bereits mit einem Kaffee auf dem Sofa.
Ich kletterte also aus meiner Kiste und begab mich zu den Menschen. Auf meinem Weg kam ich am Kratzbaum vorbei. Es duftete bereits nach leckerem Futter mit weißer Soße, meinem Lieblingsfrühstück, meinem besten Mittagsmahl und dem allerfeinsten Abendessen.
Ich bog ab und wandte mich den Futterschüsseln zu und … war völlig verwirrt.
Irgendwas stimmte da nicht. Dieser Platz vor meiner Nase sah anders aus, als ich ihn vom Vortag in Erinnerung hatte.
Eins, zwei, drei, vier. Da standen tatsächlich vier Schüsseln. Drei mit Futter, eine mit Wasser.
Was hatte das nur zu bedeuten? Wir waren hier zu zweit, wenn ich mal die Menschen nicht mitzählte, die nur selten aus unseren Schüsseln aßen. Da waren nur ich, das Dicktier Manni und mein Futterneider, der Lord Schweinenase.
Aber was hatte diese dritte Futterschüssel hier zu suchen? Ich zweifelte sofort an, dass die Menschen mir damit etwas Gutes tun wollten. Sie hatten noch nie auf meinen unstillbaren Hunger reagiert.
Na gut, die Frau war immer sehr großzügig und ihre Schublade immer mit den feinsten Leckerlis gefüllt, aber der Mann war dabei unerbittlich.
Mich beschlich das ungute Gefühl, dass hier eine große Sache im Gange war, über die man mich nicht informiert hatte.
Ich warf einen ragenden Blick zu Lord Schweinenase. Doch der hatte seinen rosa Riechkolben unter seinem Schwanz vergraben. Verdauungsschlaf. Dieser Träumer.
Ich sah zum Mann hinüber und zwinkerte ihm unauffällig zu. Es wurde Zeit, dass große Ermittlerteam namens Mann und Manni die Sache untersuchen zu lassen.
Doch dieses sollte nichts daraus werden, denn der Mann hatte sich hinter einer großen Zeitung versteckt. Ich musste den Fall auf eigene Faust lösen.
Mühsam quälte ich mich den Kratzbaum hinauf, schleppte meinen Hinter auf die mittlere Etage. Dort legte ich mich auf die Laune. Ich verharrte ganz still, bewegte mich keinen Millimeter und versuchte, so wenig wie möglich zu atmen. Meinen Blick ließ ich starr auf die Fressnäpfe unter mir gerichtet. Irgendwann, dass wusste ich, würde sich jemand dort einfinden. Dann würde ich mich schwer zu Boden fallen lassen und zuschlagen. Ich war mir mehr als sicher, dass sich in meinem Revier ein ungebetener Gast befand, der nicht um meine Erlaubnis gefragt hatte.
Wie ein Toter Kater lag ich nun da. Minute um Minute verging, Stunde um Stunde verstrich. Es passierte allerdings nichts.
Nach einer geschätzten Ewigkeit hörte ich irgendwann ein leises Schnurren, gefolgt von einem Kichern.
Verwirrt blickte ich hinüber zum Sofa. Dort richtete sich gerade Lord Schweinenase auf. Sein Grinsen, dass er mir ungeniert herüber warf, war nicht zu übersehen. Er machte einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf etwas frei, dass die ganze Zeit von seinem Körper verdeckt gewesen war.
Dort lag, ich wollte es nicht glauben, eine mir unbekannte Katze, die mit ihm gekuschelt haben musste. Ich wurde stinkig. Ich wurde wütend. Was hatte dieses Wesen in meinem Revier zu suchen?
Schon wollte ich mich auf den Eindringling, diesen Futterdieb, stürzen, ihn vertreiben. Doch dann hörte ich wieder dieses Schnurren und und sah, dass da ein kleines, braunes Katzenbaby lag, eine Mini-Mietze.
Und sie war sooo süß. Ich konnte gar nicht anders, als mich auf den Kratzbaum zu legen, sie zu beobachten und begann ebenfalls ruhig zu schnurren.

(c) 2019, Marco Wittler

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*