851. Nachtwanderung

Nachtwanderung

Es war mitten in der Nacht, als sich in der Haustür die Katzenklappe bewegte. Herbert war völlig ungeplant aufgewacht und hatte nicht mehr schlafen können. Deswegen hatte er sich kurzerhand auf den Weg gemacht, die kühle Nachtluft zu genießen.
Es war eine tolle Atmosphäre hier draußen. Alles war still, kein einziges Auto störte und die Menschen lagen in ihren Betten und horchten an der Matratze. Herbert war ganz für sich allein. Nur das Zirpen der Grillen in den nahen Büschen begleitete ihn. Zumindest dachte er das. Seinen heimlichen Begleiter hatte er nämlich nicht entdeckt.
Timmy, sein Mitbewohner, war ebenfalls aufgewacht, hatte beobachtet, wie Herbert nach draußen verschwunden war. Das war sehr ungewöhnlich, denn normalerweise verließ der Freund das gemeinsame Heim nur am Tag.
Timmy machte sich Sorgen. War etwas geschehen? Hatte Herbert Sorgen oder vielleicht sogar ein ungelüftetes Geheimnis?
Er kletterte ebenfalls durch die Katzenklappe, kletterte an einer Ranke hinauf aufs Dach und sah sich um. Dort hinten lief Herbert den Gehweg entlang. Timmy gab Gas, sprang von Dach zu Dach, verfolgte seinen Freund. Doch das war in dieser düsteren Nacht nicht einfach. Der Kater am Boden wurde immer wieder von der Dunkelheit verschluckt. Timmy wollte aber unbedingt an ihn dran bleiben.
In diesem Moment gesellte sich jemand zu ihm, bot selbstlos seine Hilfe an. Es war ein kleines Glühwürmchen, das sein Licht großzügig aussendete.
Timmy war dankbar für diesen kleinen Helfer und schickte ihn Herbert hinterher. Nun hatte er ein Leuchtsignal, dem er wie einem mobilen Leuchtturm folgen konnte.
Herbert überquerte mehrere Straßen, bog an zwei Kreuzungen ab und verschwand schließlich in einer hoch gewachsenen Wiese.
Timmy hielt die Neugierde nicht mehr aus. Er kletterte vom Dach und folgte seinem Freund. Als sie kurz darauf voreinander standen, fragte er sofort, was passiert war.
Herbert zuckte nur mit den Schultern und grinste schief. Dann erklärte er in wenigen Worten, dass er nicht mehr hatte schlafen können. Deswegen war er hierher gekommen, um ein paar frische Blumen für seine Menschen zu pflücken. Das war alles.
Timmy atmete erleichtert auf. Alles war in bester Ordnung. Die Idee mit den Blumen gefiel ihm sehr gut. Also packte er fleißig mit an. Die beiden Kater brachten gemeinsam einen großen Strauß Blumen nach Hause, den sie wenig später in der Küche in eine Vase stellten.
Das kleine Glühwürmchen saß noch eine Weile in der Dunkelheit auf der Fensterbank, sah sich die bunten Blüten an und freute sich, dass er zwei so dicke Freunde kennengelernt hatte.

(c) 2020, Marco Wittler


Bild: Bluebird0001 auf Pixabay

Inspiriert wurde diese von Lelis Bild auf Twitter. Vielen lieben Dank, dass ich mich daran austoben durfte.

https://twitter.com/l3lith_inks/status/1300650884913860608?s=21

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