852. Ich gegen alle (Mann und Manni 10)

Ich gegen alle

Es war ein lauer Herbstabend, als ich eine Pfote nach der anderen auf den Gehweg vor dem Haus setzte.
Du bist verwirrt, weil du etwas von Pfoten gelesen hast? Das ist nicht schlimm. Ich bin nämlich kein Mensch, sondern ein stattlicher Kater. Das mit den Pfoten ist also ganz normal.
Manni ist mein Name und ich hatte für den heutigen Abend etwas ganz Besonderes geplant.
Na gut, ich muss zugeben, dass der Plan nicht auf meinem Mist gewachsen war. Er stammte eigentlich vom Mann, dem zweiten Teil unseres Teams. Wir sind Mann und Manni, das Superteam, dass jeden Fall löst. Er lebt mit in meiner WG, in der sich noch ein paar weitere Mitbewohner befinden, zu denen ich aber später noch kommen werde.
Ich stand also im Freien, und blickte auf einen Laubhaufen hinab. Um das mittlerweile bunt gewordene Grünzeug ging es mir eigentlich nicht, vielmehr um das, was sich im Innern befand.
»Kommst du da jetzt endlich mal raus? Der Plan setzt sich nicht von allein um.«
Das Laub begann zu rascheln. Es tauchte plötzlich ein Kopf daraus auf, dann ein ganzer Kater. Lord Schweinenase, mein Zwillingsbruder trottete auf mich zu, maulte herum, weil er seinen spontanen Schlafplatz aufgeben musste und gesellte sich schließlich zu mir.
Verdammte Amateure. Gute Helfershelfer waren einfach viel zu schwer zu bekommen. Ich musste mich auf Dilettanten verlassen. Hinzu kam, dass er nicht der Intelligenteste Kater auf dem Globus war. Das wurde mir just in diesem Moment wieder einmal klar, als sich langsam ein Sabbertropfen von seinem Maul löste und zu Boden fiel. Die Überreste des Abendfutters taten ihr Übriges.
Ein Wagen kam um die Straßenecke gefahren, hielt direkt vor uns. Die Beifahrerseite wurde aufgestoßen. Hinter dem Lenkrad saß der Mann und winkte uns wortlos herein. Wir wussten, was zu tun war, deswegen brauchte es keine Anweisungen.
Lord Schweinenase und ich sprangen hinein. Die Tür schloss sich und der Mann fuhr los.
Auf dem Rücksitz saß unsere restlichen Unterstützer. Der Begale, ein Kater, der schöner als mutiger war, zitterte bereits vor Angst. Neben ihm hockte die Mini-Mietze, die das komplette Gegenteil war und es mit jedem wilden Wirbelwind aufnehmen konnte.
Wir fuhren zum Museum in der Innenstadt. Der Mann parkte den Wagen in einer Seitenstraße, wo er nicht nicht sofort gesehen werden konnte. Wir Katzen zogen alte Socken über die Gesichter, der Mann nutzte einen Mundschutz, den eh die meisten Menschen gerade trugen.
Mit einem großen Paket unter dem Arm verließ er den Wagen, ließ uns aussteigen und wies uns mit Handzeichen den Weg zum Hintereingang. Jetzt galt es, Nerven zu bewahren und sich Schritt für Schritt an den ausgefeilten Plan zu halten.
Wir versammelten uns an der Tür. Eigentlich war alles perfekt, bis auf einen Punkt. Der Begale war unsere Schwachstelle. Ich wies ihn also an, auf einer der umstehenden Mülltonnen Platz zu nehmen und Schmiere zu stehen. Damit ihn seine Angst nicht übermannte, stellte ich ihm die tapfere Mini-Mietze zur Seite. Sie würde ihn schon auf Linie halten.
Also weiter.
Ich riss mir ein Schnurrhaar aus der Wange, zuckte dabei kurz und steckte es dann in das Türschloss. Ein paar Mal hin, ein paar Mal her, dann war der Weg frei. Wir betraten zu dritt das Museum.
Während der Mann mit seiner wertvollen Fracht erstmal wartete, begannen mein Bruder und ich, das Gebäudeinnere unter die Lupe zu nehmen. Wir sahen nach, wo sich Überwachungskameras, wo Bewegungsmelder befanden. Schnell hatten wir einen Überblick gewonnen. Und dann überschlugen sich die Ereignisse.
Lord Schweinenase hatte sich eigentlich in diesem Moment still in die Ecke setzen sollen. Doch stattdessen streifte er weiter durch die Gegend. Dabei stieß er gegen ein seltsames Ausstellungsstück, das aus diversen Metallstangen bestand.
Das Kunstwerk stürzte um, nahm meinen Bruder gefangen. Dieser Idiot. Ich ließ ihn vorerst zurück. Um diese Problem mussten wir uns später kümmern.
Nun war es Zeit für den Mann, er kam herein, horchte auf mein Signal, folgte diesem, bog dann aber in den falschen Raum ab. Der Alarm wurde ausgelöst. Verdammt!
Er ließ das Paket fallen, sah sich panisch um und rannte davon. Jetzt war ich auf mich allein gestellt.
Im Kopf ging ich den Plan durch. Dieser beinhaltete auch alle Punkte, die hätten schief gehen können. Mir blieben ganze vierzig Sekunden bis zum Eintreffen der drei Sicherheitsleute. Zu knapp, um fertig zu werden.
Was nun? Mein Hirn lief auf Hochtouren. Ein neuer Plan musste her. Von fern hörte ich bereits Schritte. Sie waren schneller als gedacht. Ich brauchte Hilfe.
Schnell lief ich nach draußen, winkte den Bengalen und die Mini-Mietze herbei, die mir sofort folgten.
»Jeden Moment kommt das Personal rein. Verhaltet euch ruhig und professionell.«
Ich positionierte die Beiden und gab die Parole aus, abzuwarten. Nur einen Wimpernschlag später kamen die drei Uniformierten auch schon herein.
Der Bengale bekam Panik und raste davon. Bei der Mini-Mietze kochte das Temperament über. Sie stürzte sich auf die Männer, fuhr die Krallen aus, flog regelrecht nacheinander an deren Beinen hoch und begann, sie fertig zu machen.
Alles nach Plan.
Der Bengale stieß bei seiner Flucht gegen das metallene Gefängnis von Lord Schweinenase und befreite ihn unabsichtlich. Die Sicherheitsleute waren damit beschäftigt, ihre Gesichter vor tiefen Kratzern zu schützen. Eine bessere Chance würde sich nicht mehr bieten.
Ich öffnete das Paket, förderte ein Bild zu Tage und schob es mit meinen Pfoten zur Wand. Dann machte ich mich auf den Weg zum Ausgang, rief nach meinem Team und achtete darauf, dass sie alle unverletzt nach draußen kamen. Keine dreißig Sekunden später saßen wir wieder beim Mann im Wagen und machten uns auf dem Heimweg. Jetzt mussten nur noch die Leute des Museums mitspielen.

Am nächsten Tag waren wir erneut auf dem Weg ins Museum. Dieses Mal nur zu dritt: der Mann, die Frau und meine Wenigkeit in einer Tragetasche versteckt.
Der Mann führte die Frau aufgeregt von Raum zu Raum, zeigte ihr uninteressante Gemälde, bis wir den Raum des letzten Abends betraten.
Ich warf einen flüchtigen Blick aus der Tasche heraus und war mit mir zufrieden. Das Bild, welches ich auf dem Boden hatte liegen lassen, war als vereitelter Diebstahl angenommen worden. Der Sicherheitsdienst hatte es aufgehängt. Nun prangte es hier und brachten die Augen der Frau zum Strahlen. Sie glänzten und wurden feucht. Die Überraschung war mehr als gelungen.
Sie blickte sich selbst ins Antlitz, in ein Bild, dass der Mann in den letzten Tag heimlich von ihr gemalt hatte. Nun hing es im Museum und erfreute ein größeres Publikum.
Unser Plan hatte funktioniert.

(c) 2020, Marco Wittler

Bild: OpenClipart-Vectors auf Pixabay

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