863. Ich gewann die erste Runde (Mann und Manni 16)

Ich gewann die erste Runde

Es war ein super sonniger Tag den ich am Strand verbrachte. Ich genoss die Brandung der Wellen, die sanft wehende Brise und die kräftigen Sonnenstrahlen, die mir den Pelz wärmten.
Moment! Jetzt fragst du dich sicher, warum jemand heutzutage noch einen Pelz trägt. Das fragst du dich natürlich zu Recht. Sowas macht man nicht. Es sei denn, man ist ein Kater, dann ist eine ganz natürliche Sache. Und soll ich dir was verraten? Ich war ein waschechter Kater mit allem drum und dran. Natürlich auch mit einem Pelz.
Ich lag also am Strand, genoss den herrlichen Urlaub, als jemand aus dem Schatten einer Palme hervor trat und auf mich zu kam
Es war der Mann, ein Mitglied aus meiner WG und die zweite Hälfte meines Team mit Namen Mann und Manni. Wir waren die besten Freunde, konnten uns blind aufeinander verlassen. Wenn ich kuscheln wollte, war er für mich da, auch tief in der Nacht. Gut, manchmal musste ich dafür auf ihm rumtrampeln, aber dafür bekam ich immer meinen Willen. Außerdem lösten wir gemeinsam den einen oder anderen Kriminalfall im Katzenmilieu.
Und nun stand er vor mir, grinste breit und erzählte mir von einer genialen Idee, die ich überhaupt nicht so toll fand.
Der Mann hatte ein Floß gebaut, mit dem er in See stechen wollte. Ich sollte ihn natürlich begleiten.
Ich schüttelte den Kopf, wünschte ihm viel Spaß bei seiner Bootsfahrt und lehnte ab.
Floß, sagte er und schüttelte den Kopf. Es war kein Boot, sondern ein Floß. Außerdem existierte davon noch eine zweite Ausgabe, die sich bereits an der Wasserkante befand.
Ich bemühte mich, meinen Kopf zu heben, den ich so gemütlich auf Sand gebettet hatte und entdeckte das zweite Gefährt. Darauf saß die Frau, die sich so hingebungsvoll um mich und meine Artgenossen kümmerte. Sie wusste immer ganz genau, wann Zeit für Futter, Leckerlis, Streicheleinheiten oder es einfach nur um die Reinigung des Katzenklos ging. Sie war die gute Seele in unserer WG.
Der Rest meiner Mitbewohner kam gerade unter einem Busch heraus. Drei Mietzen liefen zur Frau und setzten sich auf das Floß.
»Was soll das werden?«, wollte ich vom Mann erfahren.
Der Mann grinste nun breiter als zuvor und erzählte von einem Wettbewerb. Jedes Floß sollte auf das Meer hinaus paddeln, an einem kleinen Felsen wenden und zum Strand zurück kehren. Wer als Erster zwei von drei Runden auf seinem Konto hätte, wäre der Gewinner.
Ich sollte auf einem Floß fahren? Mit dem Mann zu zweit gegen die Frau und drei Mietzen?
Alles klar. Ich war dabei. Er hatte mich. Gegen Lord Schweinenase, der nicht mal in der Lage war, nach den Mahlzeiten seinen Riechkolben zu reinigen, dem überängstlichen Begalen und der kleinen, süßen Mini-Mietze konnten wir nur gewinnen.
Wir setzten und auf unser Floß, der Mann gab das Startkommando und dann paddelten wir los.
Es lief mehr als gut. Mit Händen, Füßen und Pfoten paddelten wir, als ginge es um unser Leben. Wir kamen als Erste zum Wendepunkt, machten kehrt und fuhren zurück zum Strand. Ich … äh … wir gewannen die erste Runde mit weitem Vorsprung.
Für die nächste Runde war ich sehr optimistisch gestimmt. Wir konnten diese Herausforderung gar nicht verlieren.
Wir starteten erneut gemeinsam. Erneut ließen wir unsere vier Gegner hinter uns zurück. Wir näherten uns ein weiteres Mal dem Wendepunkt, drehten und gaben auf dem Rückweg besonders viel Gas.
Wenige Sekunden später änderte sich jedoch alles. Um uns herum tauchten plötzlich unzählige Rückenflossen großer Haie auf, die uns immer wieder umrundeten. Das Meer war mit einem Mal komplett mit Haien verseucht.
Ich zog sofort meine Pfoten aus dem Wasser und gab dem Mann zu verstehen, es mir gleich zu tun. Ich verzichtete lieber auf den Sieg, als mir meine samtweichen Pfoten anknabbern zu lassen.
Wir konnten nur noch abwarten, dass diese hungrigen Jäger etwas anderes fanden, dass sie umkreisen konnten. Doch den Gefallen taten sie uns nicht. Stattdessen begannen sie, das Floss von unten immer kräftiger anzustoßen.
Wir konnten uns kaum auf dem Holz halten, so sehr wurden wir durchgeschüttelt. Da half es auch nicht, dass ich besonders scharfe Krallen besaß. Der letzte Stoß ergab dann das Unausweichliche: Wir stürzten ins Wasser und landeten vor den riesigen Zähnen der Haie.
Ich hätte mich durchaus zur Wehr setzen können, aber da ich meine Taucherbrille am Strand vergessen hatte, konnte ich unter Wasser nur zwischen hell und dunkel unterscheiden.
Von allein Seiten hörte ich das hämische Lachen der Haie, die eindeutig näher kamen.
Sie drohten mir an, ganz oben auf der Speisekarte zu stehen, was ich überhaupt nicht lustig fand.
Ich überlegte bereits, ein flehendes Stoßgebet gen Himmel zu schicken, als das Meer um mich herum zu brodeln begann.
Ich wusste nicht, wie mir geschah. Waren da nun auch noch gefräßige Piranhas aufgetaucht?
Nein. Stattdessen jagte etwas wie ein Blitz an mir vorbei, versetzte den ersten Haien so kräftige Schläge, dass sie benommen zum Grund taumelten. Andere flogen aus dem Wasser und gaben ein Bild ab, das springenden Delfinen ähnelte. Ein anderer Teil des Schwarms wurde auf dem Riff des Wendepunkts gestapelt. Der kleine Rest rettete sich Richtung offenem Ozean.
Ich schwamm zur Oberfläche, kletterte zeitgleich mit dem Mann in Sicherheit, als unsere Retterin auch schon neben uns aus dem Wasser kam.
Es war die Mini-Mietze, diese hyperaktive Katze, die es mit allem aufnahm, was größer als sie war. Damit war natürlich so ziemlich alles gemeint. Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nicht einen einzigen Kampf verloren. Nun konnte sie einen Schwarm Haie auf die Liste ihrer besiegten Gegner setzen.
Ohne uns eines weiteren Blickes zu würdigen, schwamm sie zu ihrem Floß zurück und brachte es im Alleingang zum Strand. Der Mann und ich blieben weit abgeschlagen dahinter.
Es dauerte mehrere Minuten, bis wir ebenfalls im Ziel waren.
»Wir haben euch nur gewinnen lassen.«, kommentierte ich die verlorene zweite Runde. »Das ist der gerechte Lohn für unsere Rettung.«
Es ging in die Entscheidung. Der Mann gab das Startkommando. Doch, noch bevor wir überhaupt unser Floß ins Wasser schieben konnten, hatte die Mini-Mietze das Gefährt mir ihren Mitstreitern bereits bis zum Wendepunkt gebracht. Wir konnten nicht mehr gewinnen.
Diese Niederlage wurde zum schwärzesten Tag des gesamten Urlaubs.

(c) 2020, Marco Wittler

Image by Dmitry Abramov from Pixabay

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