910. Gänsehaut

Gänsehaut

Es war mitten in der Nacht, als mich meine volle Blase aus dem Schlaf holte, mir das Ende meines schönen Traums verwehrte und zur Toilette zwang.
Eine Zeit lang wehrte ich mich noch dagegen, versuchte immer wieder irgendwie einzuschlafen, aber die Körper war einfach stärker als mein Geist.
Genervt schlug ich meine warme Decke zur Seite, begann sofort zu frösteln und erhob mich aus meinem Bett. Mit zu Schlitzen verengten Augen suchte ich mir meinen Weg zum Bad, stolperte über meine Schuhe, die ich vor ein paar Stunden hatte liegen lassen, knallte mit der Schulter gegen den Türrahmen und taumelte für ein paar Sekunden unsicher durch den Flur.
Ich schüttelte den Kopf, versuchte die Benommenheit loszuwerden und fand schließlich mein Ziel. Ich setzte mich auf die Schüssel. Endlich. Gleich würde ich wieder ins Bett zurückkehren und schlafen können.
Doch dann lief es mir plötzlich eiskalt den Rücken runter. Ich bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut. Die feinen Härchen auf meiner Haut stellten sich kerzengerade auf. Mich fröstelte.
Ich fuhr mir mit den Händen über Arme, Brust und Beine, aber dieses unangenehme Gefühl wollte einfach nicht verschwinden. Die Gänsehaut kam sofort wieder, verstärkte sich sogar. So extrem hatte ich das noch nie empfunden. Ich bekam Angst, deren Ursprung ich aber nicht ausmachen konnte.
Was war nur mit mir los? Ich hatte nicht schlecht geträumt, keine gruseligen Geräusche gehört und auch nichts Unheimliches gesehen. Trotzdem spürte ich die Gänsehaut am ganzen Körper. Ich begann zu zittern und sah mich verzweifelt um.
Hinter mir auf dem Spülkasten entdeckte ich meinen Kater, der mir unablässig in den Nacken atmete.
»Verdammt!«, zischte ich ihn an. »Was soll denn der Blödsinn? Du hast mir vielleicht eine Angst eingejagt.«
Ich spülte, wusch mir die Hände, packte mir den Kater unter den Arm und verschwand mit ihm im Bett.
»Jetzt kannst du dich revanchieren und mich in den Schlaf schnurren.«

(c) 2020, Marco Wittler


Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

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