1078. Nebelschwaden in der Nacht

Nebelschwaden in der Nacht

Pünktlich zu den Abendnachrichten schaltete Max den Fernseher ein. Kurz nach der Begrüßung durch den Sprecher, gab es eine Live-Schaltung zu einem Reporter, der sich in der Nähe eines kleinen Waldes befand.
»Wie sie sehen können, befinde ich mich nur wenige Meter vom Waldrand entfernt. Eine weitere Kamera befindet sich über uns in einem Helikopter. In wenigen Sekunden wird sich ein bisher unerklärliches Naturphänomen ereignen, dass sich hier seit ein paar Tagen abspielt und bereits Wissenschaftler und Wetterexperten aus dem ganzen Land fasziniert.«
Das Bild wechselte zur Luftkamera. Nun konnte man den Wald im Ganzen von oben sehen. Langsam wallten Nebelschwaden aus, die sich über dem Wald zusammenzogen und immer dichter wurden.
»Wie es ihnen vielleicht gerade auffällt,dehnt sich der Nebel nicht über die Grenzen des Waldes aus, dafür ist er darüber umso dichter.«
Er ging langsam näher an die äußersten Bäume und streckte seine Hand aus, die sofort verschwand.
»Der Nebel ist so dicht, dass man nur wenige Zentimeter in ihn hinein blicken kann. Selbst unser Meteorologe, der seit Jahrzehnten in unserer Sendung den Wetterbericht verliest, kann sich das nicht erklären.«
Der menschliche Wetterfrosch wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, als es hinter den beiden Männern zu rascheln begann. Aus dem dichten Nebel tauchte ein grünes, mit Blättern bewachsenes Gesicht auf.
»Vielleicht kann ich dieses Geheimnis lüften. Ich bin der Wald, vor dem ihr euch die ganze Zeit unterhaltet und über den ihr berichtet. Mir ist jede Nacht schrecklich kalt, deswegen nutze ich den dichten Nebel als Decke. Das klappt wunderbar und ich schlafe sehr viel tiefer, besser und länger.«
Er sah die beiden überraschten und verängstigten Männer an und seufzte laut. »Und jetzt verschwindet endlich von hier und nehmt eure Kameras mit. Ihr stört mich nämlich beim Einschlafen.«

(c) 2021, Marco Wittler


Image by Darkmoon_Art from Pixabay

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