Paul liest ein Buch
»Ach Mama. Ich hab da echt keine Lust drauf. Warum soll ich denn Bücher lesen? Die sind voll lang und noch langweiliger. Ich will lieber an meiner Konsole zocken. Das ist nämlich sehr viel cooler.«
Mama seufzte laut und schüttelte den Kopf. »Lesen ist wichtig. Damit bildet man sich. Außerdem werden dadurch deine Rechtschreibung und deine Deutschkenntnisse besser. Man hat dadurch nur Vorteile.«
Paul lehnte das Buch aber weiterhin ab. Es interessierte ihn einfach nicht. »Ich mag aber keine Geschichten lesen. Das ist doch öde. Geschichten gibt es in meiner Konsole auch, aber die kann ich dann selber noch spielen.«
Mama nahm Pauls Hand und drückte ihm trotzdem das Buch in die Hand. »Weißt du, mit einem Buch kann man in andere Welten eintauchen. Lesen ist wie Kino für den Kopf. Man kann sich alles, was man gerade liest, vor dem inneren Auge vorstellen. Für jeden Leser sehen die Welten und Figuren ganz anders aus. Da ist deine Fantasie gefragt.«
Paul grummelte und murmelte etwas vor sich hin, das Mama nicht verstehen konnte.
»Ich möchte aber anmerken, dass ich das Buch nur unter Protest mitnehme und nur so lange lesen werde, bis mir eine passende Ausrede einfällt.«
Er trottete davon und hielt das Buch währenddessen provokativ mit nur zwei Fingern.
Eine Stunde später machte sich Mama auf den Weg, nach ihrem Sohn zu schauen. Es war merklich still im Kinderzimmer geworden. Hatte sie Paul beruhigt und war tatsächlich in das Buch vertieft? Sie öffnete leise die Tür und steckte ihren Kopf hindurch. Da bekam sie auch schon einen riesigen Schreck.
»Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?«
Paul grinste breit. »Ich habe nur das gemacht, worum du mich gebeten hast. Ich bin in die Welt des Buches eingetaucht. Wie könnte das denn besser gehen?«
Mama fasste es nicht. Das Buch war komplett leer und lag am Boden. Es bestand nur noch aus dem Einband. Die Seiten hingeben klebten überall. Paul hatte sie auf die Wände und Möbel verteilt.
»Aber so liest man doch kein Buch.«
»Du hast gesagt, dass man mit einem Buch die Fantasie im Kopf anregt. Ich habe jetzt eine Welt um mich herum, deren Sterne am Himmel aus Buchstaben bestehen.«
(c) 2021, Marco Wittler
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