Der Kürbiskopf vor dem Geisterhaus
Am Rande der Stadt stand ein altes Haus, auf einem grün überwucherten Grundstück. Kaum eine Menschenseele traute sich hierher, denn es hielt sich hartnäckig das Gerücht, es würde im dem verfallenen Gemäuer spuken und niemand wollte die Bekanntschaft mit einem Geist machen.
Einmal im Jahr, kurz nachdem der Herbst begonnen hatte, die Blätter an den Bäumen sich bunt verfärbten und der goldene Oktober sein Ende fand, schmückten nicht nur die Menschen ihre Häuser mit gruseligen Figuren und leuchtenden, orangenen Kürbissen. Auch vor dem alten Geisterhaus lag eine dieser Früchte. In die Schale war eine besonders grässliche Fratze geschnitzt, die umso mehr dafür sorgte, dass sich die Bewohner der Stadt von diesem Ort fern hielten. Sie konnten sich auch nicht erklären, wer für diese Dekoration gesorgt hatte, denn schon seit Jahrzehnten wohnte niemand mehr an diesem verwunschenen Ort.
Eines Abends wagte sich dennoch eine Gruppe junger Männer hierher. Sie wollten ihren großen Mut unter Beweis stellen. Doch einer nach dem anderen blieb kurz vor dem Grundstück stehen. Die Angst in ihnen war so groß, dass sie nicht mehr weiter gehen konnten. Nur einer von ihnen schaffte es bis kurz vor die Tür.
»Schaut her, ihr Angsthasen. Wenn ich meine Hand austrecke, könnte ich sogar den Türgriff berühren. Es ist mir nichts passiert. Hier spukt nichts und niemand.«
Er wollte gerade zu lachen beginnen, als es neben ihm eine laute Stimme erklang.
Und wenn ich meine Hand ausstrecke, werde ich dich packen. Dann wird es dir ganz übel ergehen.«
Es war der Kürbis, der gesprochen hatte. Panik stieg in dem jungen Mann hoch. Seine Augen traten aus ihren Höhlen hervor. Er nahm die Beine in die Hände und rannte schreiend in die Nacht hinaus. Seine Freunde folgten nur wenige Meter hinter ihm.
Zur gleichen Zeit, saß eine kleine Maus mit einer Kerze in dem ausgehöhlten Kürbis und lachte über die Angst und die Dummheit der Menschen. Die vielen Geistergeschichten, die sie sich zu ihrem großen Haus ausgedacht hatte, würden ihr noch lange ein sicheres Heim garantieren, in dem sie niemand stören würde.
(c) 2021, Marco Wittler
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