1434. Der schnellste Schwimmer aller Zeiten (Die Dinos und das Boo)

Der schnellste Schwimmer aller Zeiten

Vor dem großen Höhleneingang spielten eine Gruppe kleiner Dinosaurierkinder in der warmen Sonne Verstecken. Während sich die meisten von ihnen unter Sträuchern, hinter Farnen oder in den Büschen verkrochen, stand ein Langhals mit geschlossenen Augen vor der Felswand und zählte laut. »… Achtundvierzig, Neunundvierzig, Fünfzig. Ich komme!«
Ruckartig sprang er herum und suchte mit seinem scharfen Blick die Gegend ab. Sofort fiel ihm auf, dass etwas nicht stimmte. Die Grillen, die normalerweise rund um die Uhr sangen, waren verstummt. Das Plätschern des Wassers am nahen Meeresufer war nicht mehr zu hören. Es herrschte Totenstille.
Plötzlich raste ein riesiger Schatten über den Boden hinweg und drehte mehrere Kreise über dem Kopf des Dinos. Dieser sah ehrfürchtig auf. Ihm fiel die Kinnlade herab.
»Das Boo ist gekommen. Es ist hier.«
Sofort kamen die kleinen Dinosaurier aus ihren Verstecken und liefen schnell auf den Eingang der Höhle zu. Doch statt sich in Sicherheit zu bringen, setzten sie sich ordentlich in einer Reihe nebeneinander und sahen dem großen Flugsaurier dabei zu, wie er zur Landung ansetzte.
»Na, Kinder?« Das Boo sah neugierig von der einen Seite zur anderen, während auch die großen Dinos der Herde aus dem Innern der Höhle kamen. »Habt ihr mich vermisst, während ich allein um die Welt geflogen bin?«
Aufgeregt plapperten die Kinder durcheinander. Jedes von ihnen hatte unzählige Frage, die es beantwortet wissen wollte. Die Frage allerdings, die allen auf der brannte, war klar und deutlich zu hören. »Kannst du uns eine Geschichte von deiner Reise erzählen?«
Lachend setzte sich das Boo auf den steinernen Boden und faltete seine Flügel zusammen. »Ich habe tatsächlich ein paar ganz verrückte Dinge erlebt, von denen ich euch berichten möchte.« Das Boo holte tief Luft und begann zu erzählen.

Es war vor langer Zeit, als das Boo noch ein kleiner Flugsaurier war. Es hatte sich gerade erst zu seiner ersten Reise um die Welt aufgemacht, als ein höllischer Lärm unter die Wolken es zur Erde zurückholte.
Es rechnete natürlich mit dem Schlimmsten, denn die lauten Schreie verhießen nichts Gutes. Vielleicht wurde eine Saurierherde von einem großen Fleischfresser bedroht oder sie flüchteten vor dem Magmastrom eines ausgebrochenen Vulkans. Doch von alledem war nichts zu sehen.
»Nanu? Irgendeinen Grund muss es doch für die Aufregung geben.« Das Boo flog näher eine eine riesige Herde heran, die unbewegt am Ufer des Meeres stand. Manche von ihnen schwenkten bunte Fahnen hin und her, andere riefe, grölten und schrien.
»Was ist los?« Das Boo versuchte Antworten zu bekommen und fragte sich durch die Menge hindurch.
»Siehst du das denn nicht?« Ein großer Tyrannosaurus Rex wies mit seinen viel zu kurzen Armen auf das aufgewühlte Wasser. Heute findet das Finale der Weltmeisterschaft der Wassersaurier statt. Der Titelverteidiger Paul Plesiosaurus liegt eine halbe Körperlänge voraus. Das hat er natürlich nur seinen Fans zu verdanken. Wir feuern ihn die ganze Zeit an, damit er so schnell schwimmen kann.«
Das Boo flatterte etwas weiter in die Höhe. Tatsächlich kam da eine große Gruppe auf das Ufer zugeschwommen.
»Wer als Erster durch das Riff hindurch ist, hat gewonnen und ist neuer Weltmeister.«
Schnell ließ sich da Boo von der Begeisterung für diesen Ausnahmesportler anstecken und feuerte ihn aus der Luft mit an.
»Hey!« Es versuchte Paul Plesiosaurus anzurufen. »Pass auf, wo du hin schwimmst. Das geht nicht gut aus.« Der Schwimmer achtete aber nicht auf die Warnung. Sekunden später stieß er mit voller Wucht gegen einen der Felsen.
Es knackte. Es krachte. Der Felsen brach entzwei und die Knochen im Hals des Wassersauriers zerbröselten zu Staub. Sein Kopf wurde immer näher an seinen Körper gedrückt, bis dieser auf den Schultern saß.
»Autsch! Verdammt! Warum hab ich denn den Felsen nicht gesehen?«
Paul Plesiosaurus rieb sich über die schmerzende Beule, die gerade aus seinem Kopf wuchs, während seine Gegner an ihm vorbei schwammen. Das Rennen war für den Champion gelaufen.
»Ich glaube, deine Augen sind nicht mehr die Besten. DU brauchst wohl eine kleine Sehhilfe.« Das Boo kreiste über dem Plesiosaurus, der nur mit größter Mühe seinen Hals wieder in die Länge gezogen bekam. »Was hältst du davon, wenn ich beim nächsten Wettkampf vor die herfliege und dir mit Kommandos den Weg weise?«
»Klasse! Das würdest du wirklich für mich machen? Das freut mich riesig.«
Das Boo nickte mit dem Kopf, bis ihm bewusst wurde, dass Paul das sicher nicht richtig sehen konnte. »Sehr gern werde ich dich begleiten, mein Freund. Es gibt für mich nichts Schöneres, als anderen zu helfen.«

»Und so bin ich der allererste Schwimmtrainer der Welt geworden.« Das Boo beendete seinen spannenden Bericht und drückte seinen kleinen Zuhörern sanft die offen stehenden Münder zu.
»Ich muss ja nicht extra erwähnen, dass Paul Plesiosaurus in den nächsten Jahren jeden Wettkampf gewonnen hat. Gemeinsam waren wir nämlich ein unschlagbares Team.«

(c) 2022, Marco Wittler

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