Der letzte Schmetterling
Siggi wachte auf. Um ihn herum war alles dunkel. Er gähnte laut und wollte sich einmal kräftig strecken, aber das funktionierte irgendwie nicht.
»Ach, fast hätte ich es vergessen. Ich stecke ja noch in meinem Kokon.«
In einem Kokon? Ja, genau. Siggi steckte in einem Kokon, denn er war ein Schmetterling, der gleich schlüpfen würde.
Also öffnete Siggi vorsichtig seinen Kokon, schlüpfte daraus hervor und breitete das allererste Mal seine bunten Flügel aus.
»Herrlich. Das tut richtig gut.«, seuzte er zufrieden.
»Und dann scheint auch noch die Sonne. Es gibt bestimmt keinen schöneren Zeitpunkt, um ein neues Leben zu beginnen.«
Nach ein paar Minuten begann Siggi das erste Mal mit seinen Flügeln zu schlagen und flog davon. Es ging hin und her, quer über die Blumenwiese und von einer Blüte zur anderen. Überall, wo er landete, schnupperte er an den duftenden Pollen und naschte etwas vom süßen Nektar.
»Mh, ist das köstlich. Wir Schmetterlinge führen ein richtig gutes Leben.«
Genau in diesem Moment fiel es ihm auf. Da waren keine anderen Schmetterlinge. Nirgendwo war einer von ihnen zu sehen. Siggi war ganz allein auf der großen Blumenwiese.
»Das ist ja seltsam. Wo sind denn die anderen Schmetterlinge? Als wir noch Raupen waren, gab es so viele von uns, dass wir uns nicht einmal zählen konnten.«
Siggi schlug wieder mit den Flügeln und machte sich auf die Suche. Aber es war kein anderer Schmetterling zu finden. Er blieb allein.
»Bin ich etwa der letzte Schmetterling der ganzen Welt? Was ist da bloß passiert?«
In diesem Moment hörte er ein paar Stimmen um sich herum.
»Mensch, Siggi. Musst du denn so einen Krach machen? Wir haben so gut geschlafen.«
Siggi sah sich verwundert um, bis er überall Kokons entdeckte, aus denen gerade weitere Schmetterlinge schlüpften.
»Du verdammter Frühaufsteher. Warum schlüpfst du auch als Erster? Kein Wunder, dass du allein gewesen bist.«
Da fiel Siggi ein riesiger Stein vom Herzen. Er war doch nicht der letzte Schmetterling der Welt. Nun sah er seinen Freunden vergnügt beim Schlüpfen zu und half, wenn jemand nicht aus eigener Kraft aus dem Kokon krabbeln konnte.
(c) 2013, Marco Wittler
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