870. Sie machten mir die Hölle heiß (Mann und Manni 21)

Sie machten mir die Hölle heiß

Ich lag auf meinem Kratzbaum und hatte meine kleine Welt genau im Auge. Meine volle Aufmerksamkeit galt dem Futternapf, der unweit von meinem Platz aufgestellt war. Ich musste aufpassen, dass niemand mein Trockenfutter stahl, denn das war in der letzten Zeit schon öfter vorgekommen.
Ich bin froh, dass du nicht nachfragst, warum ich auf einem Katzbaum lag, denn du hast bestimmt mittlerweile begriffen, dass das für mich, also Kater Manni, ganz normal war.
Es dauerte Stunden, in denen nichts geschah. Ich wollte meine Observierung schon beenden, als sich jemand aus dem Schatten des Sofas schälte und langsam auf meine Mahlzeit zu schlich.
»Stehen bleiben!«, rief ich dem Dieb entgegen, sprang vom Kratzbaum herab und kam mit lautem Poltern auf dem Boden auf.
»Du wirst mir mein Trockenfutter nicht streitig machen. Sie zu, dass du Land gewinnst. Hier in der WG bin immer noch ich der Boss.«
Es war mein verfressener Bruder, Lord Schweinenase, dem noch die Reste des Frühstücks an der Nase klebten. Das war leider kein ungewohnter Anblick.
Ich rechnete eigentlich damit, dass er den Rückzug antreten würde. Stattdessen gesellten sich die anderen Mietzen der WG zu ihm.
Die Mini-Mietze funkelte mich giftig an. Selbst der sonst so ängstliche Bengale war mit von der Partie.
»Was wollt ihr von mir?«, herrschte ich sie an. »Zieht bloß Leine. Das Futter gehört mir. Ich brauche das, um mein Kampfgewicht zu halten.«
Sie ließen sich nicht vertreiben. Stattdessen kam mir mein Bruder ganz nah. Wir standen Nase an Nase voreinander. Selbst ein Blatt Papier hätte keinen Platz mehr zwischen uns gefunden.
»Hör auf, hier so eine miese Laune zu verbreiten.«, sagte er zu meiner großen Überraschung. Es war das erste Mal in unserem langen, gemeinsamen Zwillingsleben, in dem er überhaupt gesprochen hatte.
»Wir leben hier alle gemeinsam unter einem Dach und jeder möchte etwas Futtern. Du hast nicht mehr Rechte als wir. Wir sind ein Rudel. Da hält man zusammen und arbeitet nicht gegeneinander. Wenn dir das nicht passt, kannst du ja in den Garten gehen und dich auf dem Fahrrad abreagieren.«
Er drehte sich von mir weg, wurde so schweigsam wie zuvor und begann zu fressen.
»Ja … ähm … also.«
Ich begann zu stottern, brauchte einen Moment, um die richtigen Worte zu finden.
»Sorry, tut mir leid. Soll nicht wieder vorkommen. Ich werde mich bessern.«

(c) 2020, Marco Wittler


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