1011. Flaschenpostbote Knut sucht Perlen (Flaschenpostbote Knut 05)

Flaschenpostbote Knut sucht Perlen

Knut zog sich die blaue Jacke über, strich die Ärmel glatt und sah sich prüfend im Spiegel an. Etwas fehlte da noch. Ach, ja. Die passende Schirmmütze gehörte unbedingt auf den Kopf. Er legte den breiten Ledergürtel und seine große, schwere Tasche um. Zuletzt rückte er das Schild mit der Aufschrift FLASCHENPOST auf der Brust zurecht und nickte endlich. Er war fertig und konnte in den Tag starten.

Der Meermann, verließ er sein Haus und schwamm los. Die Flaschenpost musste ausgeteilt werden. Sein Weg führte ihn wie immer zuerst zur nahen Grundschule, wo die Kinder am Zaun schon auf ihn warteten.
»Knut!«, stürmten sie laut rufend auf ihn zu. »Kannst du uns eines deiner verrückten Erlebnisse erzählen?«
Knut strich sich seinen Schnurrbart zurecht, dachte kurz nach und begann zu grinsen.
»Mir fällt da etwas ein. Ich habe neulich ein Feld voller Muscheln entdeckt, in dem man wertvolle Perlen finden soll. Davon werde ich euch berichten.«
Auf dem Schulhof wurde es mucksfischchenstill, als Knut zu erzählen begann.

Flaschenpostbote Knut hatte das Ende seiner Runde fast erreicht. Eine letzte Flaschenpost befand sich noch in seiner ledernen Umhängetasche. Diese sollte er an eine ungewöhnliche Adresse liefern.
»Die geht an den alten Muschelbauern. Der hat doch schon seit Jahren keine Briefe mehr bekommen. Dann mache ich mich mal auf den Weg, damit ich vor Einbruch der Dunkelheit wieder Zuhause bin.«
Knut schwamm los, überquerte die Stadtgrenze und orientierte sich an einem schmalen Weg, der zwischen verschiedenen Feldern hindurch gezogen worden war. Mal sah er grünes Seegras, mal mehrere Meter hohen Seetang, der sich sanft in der Strömung wiegte. Kurz bevor er den Hof des Bauern erreichte, sah er sich von unzähligen Muscheln umzingelt. Bis an den Horizont war nichts anderes mehr zu sehen.
»Beim Neptun.«, staunte Knut, nahm seine Mütze ab und kratzte sich am Kopf. »Bei so vielen Muscheln gibt es bestimmt die eine oder andere, unter deren Schale sich eine wertvolle Perle befindet. Vielleicht …«
Er sah sich verstohlen um. Es war weit und breit niemand zu sehen. Knut legte seine Tasche ab und öffnete ein paar Muscheln. Genau in diesem Moment kam der Bauer aus seinem Haus.
»Was soll denn das werden?«, rief er laut.
Knut erschrak, wirbelte herum, kam aus dem Gleichgewicht und stürzte auf den Boden des Feldes. Sofort schnappten Dutzende Muscheln nach ihm, zwickten in Schmerzhaft in die Flosse und ließen nicht mehr los. Der Meermann war gefangen, wie ein Rattenfisch in der Falle.
»Entschuldigung. Ich war nur neugierig, ob es hier Perlen gibt.«, entschuldigte er sich. »Ich konnte einfach nicht widerstehen.«
Der Bauer lachte laut und hielt sich den dicken Bauch. »Da hast du aber Pech gehabt. Auf dem Feld wirst du keine einzige Perle finden, denn die gibt es nur auf der anderen Seite des Weges.«

Die Kinder der Grundschule sahen Knut mit großen Augen an. So viele große Wale auf einem Haufen hatten sie selbst noch nie gesehen.
»Ihr könnt mir glauben, alles was ich erlebt habe, ist wahr. Mit Muscheln ist nicht zu spaßen. Die können fest zuschnappen und hinterlassen schmerzhafte blaue Flecken.«
Knut winkte noch einmal zum Abschied, machte sich wieder auf den Weg und verteilte die restliche Flaschenpost.

(c) 2021, Marco Wittler

Bild: Nik Karlov auf Pixabay

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