1176. Ein kleiner, roter Weihnachtsgruß

Ein kleiner, roter Weihnachtsgruß

Am Rande eines kleinen Dorfes, stand ein großer Leuchtturm auf einem hohen Deich. Von dort aus konnte er sein helles Licht weit über das Meer hinaus schicken und den Schiffen in der Nacht und bei schlechtem Wetter den sicheren Weg weisen.
An diesem Tag wurde es bereits während der Nachmittagsstunden dunkel. Auf dem Kalender stand nicht nur der Winter, sondern auch das Weihnachtsfest. Der Leuchtturmwärter hatte, wie in jedem Jahr, schon frühzeitig das Leuchtfeuer entzündet und sich schick eingekleidet. Unter seinem dicken Wintermantel steckte ein Anzug aus feinem Zwirn und eine Krawatte, die mit Christbaumkugeln bedruckt war. So ausgestattet vertrieb er sich gern das Weihnachtsfest allein. Trotz des Regens, der seit Stunden ununterbrochen fiel, spazierte er durch die Straßen des Dorfs und erfreute sich an den Lichtern, die alles so warm und freundlich beleuchteten.
Nach ein paar Kreuzungen blieb er stehen und beobachtete eine Mutter und ihre Tochter, die gerade das Haus verlassen hatten und sich auf den Weg machen wollten. Die Mutter verdrehte die Augen, drehte sich zur Haustür um und schimpfte. »Jetzt mach schon. Beeil dich. Wir sind schon lange fertig. Wie lange sollen wir noch auf die warten? Du bist unmöglich. Jedes Jahr das gleiche Theater an Weihnachten. Ein einziges Mal möchte ich es erleben, dass du nicht trödelst. Aber da muss ich wohl bis zum Sanktnimmerleinstag warten.«
Sie ging zurück zum Haus. »Du bleibst hier stehen und bewegst dich nicht vom Fleck.«, sagte sie in einem ernsten Tonfall zu ihrer Tochter und ging hinein, um ihrem Mann Beine zu machen.
Das Mädchen senkte traurig den Kopf und versuchte, sich in ihrem Regenmantel irgendwie vor dem Wetter zu schützen, während es auf den Rest der Familie warten musste.
Der Leuchtturmwärter, der alles gesehen hatte, schüttelte den Kopf. So traurig sollte niemand sein, besonders nicht an Weihnachten. Er überlegte kurz, ob er die Laune des Kindes irgendwie aufhellen konnte. Er kramte in seinen Taschen, fand aber nur ein zerknittertes, rotes Papier und einen Stift. Er faltete das Papier zu einem kleinen Boot, beschriftete es mit den Worten Frohe Weihnachten und setzte es auf die Straße. Das Regenwasser zog das Boot schnell mit sich die Straße entlang, bis es von dem Mädchen entdeckt wurde.
Neugierig nahm die das Boot hoch, sah es sich von allen Seiten an und lächelte. So ein schönes und unerwartetes Weihnachtsgeschenk. Sie blickte sich um, wollte wissen, woher das Schiffchen gekommen war, konnte aber niemanden entdecken. Der Leuchtturmwärter war bereits um die nächste Ecke gebogen.

(c) 2021, Marco Wittler

Das Bild, das mich zu dieser Weihnachtsgeschichte inspiriert hat, stammt aus der kreativen Hand von @Freu-lein Edelholtz, die bei Twitter ganz tolle Bilder zeigt, die meist ein kleines rotes Faltschiffchen beinhalten. Ich habe heute von ihr als Dank und Überraschung bekommen, was mich wirklich sehr gefreut hat. Schau doch mal bei ihr vorbei.

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