1178. Ein Christbaum für den Zoo

Ein Christbaum für den Zoo

Der Direktor des städtischen Zoos warf einen Blick auf seinen Kalender. Es war Heiligabend. Weihnachten stand nun direkt vor der Tür und klopfte kräftig an. Ein zweiter Blick auf die Uhr an der Wand kündigte den baldigen Feierabend an.
»Es wird Zeit für unsere kleine, jährliche Weihnachtsfeier. Darauf freue ich mich schon seit Wochen. Ich kann es kaum erwarten, meinen Leuten und den Tieren ihre Weihnachtsgeschenke zu überreichen.«
Er öffnete die Tür hinter seinem Schreibtisch und holte mehrere Pakete aus der Abstellkammer, die er auf einer Sackkarre abstellte. Diese schob er dann, ein Weihnachtsliedchen pfeifend, zum großen Elefantenhaus, das genug Platz zum Feiern bot. Er trat durch den Eingang. Wärme und der Duft von Kerzen, Punsch und Plätzchen strömten ihm entgegen. »Ist das herrlich.«
Es hatten sich bereits alle eingefunden. Tierpfleger und Tierpflegerinnen und die große Affenbande. Auf einem Felsen hatten es sich die verschiedenen Raubkatzen gemütlich gemacht. An einem Ast hing das Faultier. Die Nilpferde hatten es sich im Wasserbecken gemütlich gemacht, während das Nashorn noch versuchte, sich durch den zweiten Eingang zu zwängen. Die Elefanten waren als Gastgeber natürlich auch dabei. Es gab nur eine einzige Sache, die jetzt noch fehlte.
»Wo ist denn der Christbaum geblieben?«, fragte der Direktor verwirrt. Der sollte doch längst aufgestellt und geschmückt sein. Ich habe gestern erst eine richtig schöne Tanne auf dem Wochenmarkt gekauft und liefern lassen. Ist sie denn nicht angekommen?«
Aufgeregt und nervös lief er hin und her. Doch nirgendwo war der Baum zu finden. »Wir können auf keinen Fall ohne den Christbaum beginnen. Das zerstört die ganze Stimmung.«
Ein Tierpfleger trat auf seinen Chef zu. Sein Kopf war stark gerötet. »Es tut mir wirklich leid, Herr Direktor. Aber ich glaube, dass ich da einen Fehler gemacht habe.« Er senkte den Kopf und vergrub seine Hände ganz tief in seinen Hosentaschen. »Ich dachte, der Baum hätte zur Futterlieferung gehört. Ich habe ihn den Elefanten gegeben, die ihn mit Hochgenuss gefressen haben.«
»Du hast was?« Der Direktor wurde wütend, beruhigte sich aber sofort wieder. Er wusste genau, dass Wut niemals eine Lösung darstellte. »In Ordnung. Wir kriegen das hin. Es ist zu spät, noch einen neuen Baum zu kaufen. Der Markt ist bereits geschlossen. Wir brauchen einen anderen Ersatz.« Er sah sich verzweifelt um. Gab es vielleicht einen Garderobenständer, den man schmücken konnte? Nein.
»Sucht hier jemand einen neuen Christbaum? Ich habe gehört, dass der Erste verloren gegangen ist.«
Das war die Stimme des großen Kraken, der gerade von einem Silberrücken, einen kräftigen Gorillamännchen in das Elefantenhaus geschoben wurde. »Ich habe für Ersatz gesorgt.« Der Krake streckte alle acht Arme, die in grünen Socken steckten, in die Luft. Geschmückt waren sie mit Lichterketten und bunten Kugeln. »Ich übernehme den Job gerne. Ich wollte schon immer im Mittelpunkt stehen.« Er lachte laut über seinen eigenen Scherz.
Der Zoodirektor und der Tierpfleger atmeten auf. Das war eine wirklich geniale Idee und sah noch viel besser aus eine gewöhnliche Tanne. Diese Feier würde nun so außergewöhnlich werden, wie die bunt zusammen gewürfelten Gäste.
»Also dann!«, rief der Direktor laut, während alle anderen verstummten. »Ich wünsche euch frohe Weihnachten.«

(c) 2021, Marco Wittler

Image by dacurrier from Pixabay

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