Ein Schneemann geht auf Reisen
Da stand er seit ein paar Tagen. Mitten im Garten war er aus drei großen Kugeln von mehreren Kindern gebaut worden. Ein paar Kohlen bildeten seine Augen, seinen Mund und die Knöpfe auf der der Brust, eine Möhre steckte dort, wo Menschen eine Nasen hatten. Um den Hals war ein Schal gelegt worden, damit er nicht frieren musste. Ein Zylinderhut zierte seinen Kopf und gab ihm ein vornehmes Aussehen. Der Schneemann war richtig Stolz auf seine Erscheinung. Das einzige, was ihm nicht gefiel, war die Einsamkeit in der dunklen Nacht, wenn die Kinder im Haus waren.
Irgendwann wurde der Schneemann neugierig. Was machten die Menschen eigentlich in ihren Häusern? Warum verbrachten sie nicht ihr Leben hier draußen, wie er es tat?
Heimlich rückte er Stück für Stück näher und warf einen Blick in die Stube. Dort saßen sie gemeinsam vor einem Kasten, der bewegte Bilder zeigte. Das musste dieses Fernsehen sein, von die Kinder immer wieder mal gesprochen hatten.
»Das ist so interessant.«, war der Schneemann begeistert. Gerade lief eine Dokumentation über schneebedeckte Berge. Der Schneemann bekam sofort große Augen und wünschte sich nichts sehnlicher, als sie einmal mit eigenen Augen sehen zu können. Er packte sein weniges Hab und Gut und machte sich auf den Weg.
In der Dunkelheit der Nacht kam er schnell und ungesehen voran und erreicht schon sehr bald den Fuß eines sehr hohen Bergs. Während langsam heller wurde, erklomm er den Gipfel und genoss dort oben, knapp unter dem Himmel den Sonnenaufgang.
»Und was mache ich jetzt?« Der Schneemann dachte kurz nach. Er begann zu grinsen, sprang ein paar Meter in die Tiefe und rutschte auf dem frisch gefallen Schnee bis hinab ins Tal.
»Hui!«, rief er immer wieder begeistert. »Hui!« Er hatte so viel Spaß dabei, dass er nicht einmal abbremste, sondern bis zurück in seinen Garten glitt. Kaum war er an seinem alten Platz angekommen, kamen auch schon die Kinder heraus, die nichts von seinem Ausflug bemerkt hatten.
(c) 2022, Marco Wittler
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