1526. Ein Kännchen, bitte

Ein Kännchen, bitte

Robert betrat betrat das kleine Café am Rand der Fußgängerzone. Sofort zog er alle Blicke auf sich. Er entsprach eben nicht dem typischen Besucher, der sich hier aufhielt. Robert war kein Mensch, denn er bestand ausschließlich aus Blech, Plastikteilen und einer Menge Kabeln, die unter seiner Abdeckung verlegt waren. Dazwischen tummelten sich viele Computerchips, die ihn zum Leben erweckten. Robert war ein Roboter.
Robert steuerte zielstrebig auf einen Tisch zu, an dem ein besonders robuster Stuhl stand, der auch besonders schwere Gewichte heil überstehen konnte und nahm Platz. Er winkte der Bedienung. »Ein Kännchen,bitte.« Sie nickte ihm zu. Er gehörte seit ein paar Wochen zu den Stammkunden. Sie wusste, was er bestellen wollte.
Ein paar Minuten später stellte sie dem Roboter eine Dose Rostfrei auf den Tisch, einen Trichter und ein Kännchen Öl für die quietschenden Scharniere.
Robert bedankte sich, nahm ein paar nötige Wartungsarbeiten an seinem Körper vor, nur um sich danach in die Arbeit zu stürzen. Er griff nach einem Block, einem Stift und begann, wilde Zeichnungen anzufertigen.
»Ach, verdammt. Ach, Mist. Schon wieder nichts.« Immer wieder riss er Blätter ab, warf sie durch den Raum. Dabei verschüttete er auch noch das halb geleerte Ölkännchen. Eine glitschige Pfütze bildete sich. Robert konnte gar nicht so schnell eine Warnung aussprechen, denn schon rutschte die Bedienung darin aus.
Der Roboter sprang blitzschnell auf, fing die Dame auf und stellte sie behutsam zurück auf ihre Beine. »Wenigstens das kann ich, wenn ich schon nicht richtig malen kann. Mir fehlt einfach die Kreativität, die euch Menschen ausmacht.« Er half beim Wischen des Bodens, verabschiedete sich und verließ das Café.
Die anderen Besucher hatten alles interessiert mit angesehen, hatten sich teilweise köstlich amüsiert und waren gut unterhalten worden. Was sie aber nicht bemerkten, war der neugierige Blick des Roboters, der nun hinter einer Ecke stand und eines seiner Teleskopaugen ausgefahren hatte. Zufrieden beobachtete er die Kreativen, denen er nun als Inspiration diente. Einer malte die völlig verrückte Szene auf seinen Block, ein anderer tippte wie wild eine Kurzgeschichte in seinen Laptop.
Robert zog sich zurück und grinste. »Ich kann nicht gut malen oder schreiben. Dafür kann ich gut Slapstick.« Er machte sich auf den Weg nach Hause und überlegte schon, welche Ideen er den Künstlern am nächsten Tag machen konnte.

(c) 2023, Marco Wittler

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*