1563 – Die kleine Kräuterhexe

Die kleine Kräuterhexe

Unter den dicken Glasscheiben eines Gewächshauses, saß die kleine Kräuterhexe auf dem Boden zwischen kleinen und großen Pflanztöpfen. Mal las sie aus einem Buch eine Geschichte vor, mal summte oder sang sie mit leiser Stimme und geschlossenen Augen kurze Lieder. Zwischendurch sah sie sich immer wieder und vergewisserte sich, dass es ihren Kräutern, Gemüsen und Beeren gut ging. Die Pflege ihrer Schützlinge ging ihr über alles.
Irgendwann machte sie eine kurze Pause. Sie holte eine alte Taschenuhr hervor, die schon vielen Hexen vor ihr die Zeit angezeigt hatte. »Es ist gleich so weit. In wenigen Augenblicken wird er sein Gesicht zeigen. Dann wird Magie die Luft erfüllen.«
In diesem Moment tauchte ein Licht am Horizont auf. Ein dünner Lichtstrahl bahnte sich seinen Weg vorbei an den Bergen und Hügeln in der Ferne und durch den nahen Wald hindurch, bis er auf das Gewächshaus traf. Der Mond ging auf und tauchte die Erde in ein fahles weißes Licht.
Plötzlich begann ein kleiner Topf, der zwischen den Beinen der sitzenden Hexe stand, zu zittern. Sie musste ihn schnell festhalten, damit er nicht Gefahr lief, umzufallen und zu zerspringen.
»Ruhig. Ganz sachte. Lass dir bitte Zeit, denn davon hast du mehr als genug. Du musst dich nicht stressen.«
Aus der dunklen Erde schob sich ein kleines, grünes Pflänzchen hervor. »Das machst du wirklich gut. Sei nur vorsichtig, dass dir keines deiner zarten Blätter abbricht.«
Die Kräuterhexe griff zu einer kleinen Gießkanne, beträufelte ihren kleinen Schützling mit frischem Regenwasser, welches am Abend vorher gefallen war. »Und nun wachse und gedeihe.«
Das Pflänzchen wuchs immer schneller. Der eben noch zarte, grüne Halm wurde dicker, verholzte und schob sich in die Höhe. Er teilte sich und rankte zu beiden Seiten des Gewächshauses empor. Dicke Blätter entrollten sich unter denen sich saftige Schoten bildeten. Nach nicht einmal zwei Minuten kam der Zauber zum Erliegen.
Die Kräuterhexe stand auf und blickte sich stolz um. Eine so wunderschöne Bohnenranke war ihr noch nie gelungen. Unter einem Tisch holte sie eine Kiste hervor, in der sich kleine, bunte Lampions befanden. Sie befestigte sie nach und nach an den Blättern und brachte sie zum leuchten.
»Jetzt ist mein Gewächshaus endlich perfekt. Endlich kann ich meinen Kräutern Licht spenden, wann immer sie es brauchen, auch wenn der Regen wie aus umgekippten Kübeln aus den Wolken fällt.«

(c) 2024, Marco Wittler

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