1591. Flaschenpostbote Knut und die blaue Perle

Flaschenpostbote Knut und die blaue Perle

Flaschenpostbote Knut legte die Flosse hoch. Seinen freien Tag hatte er sich wohl verdient. Drum genoss er das schöne Wetter in einem Algenpark unweit der Stadt unter dem Meer. Der Blick von seiner Bank aus hätte nicht schöner sein können. Er beobachtete nämlich den perfekt choreografierten Tanz eines Quallenschwarms.
»Pst.« Irgendwer befand sich hinter Knut. »Du siehst aus, als würdest du einen kostbaren und sehr seltenen Gegenstand sehr wohl zu schätzen wissen. Das können hier nämlich die Wenigsten.«
Der fremde Meermann sah sich verstohlen um, bevor er eine verschlossene Muschel hinter seinem Rücken hervorholte. »Du wirst bestimmt schon von der seltensten Perle der sieben Weltmeere gehört haben. Nur in dieser Muschel hast du die Chance auf eine blaue Perle.«
Blaue Perle? Knut hatte vor langer Zeit schon einmal davon gehört, aber niemals eine zu Gesicht bekommen. »Wann war das gleich?« Er legte die Stirn in Falten, dachte nach. »Das muss irgendwann in meiner Kindheit gewesen sein.«
Der Flaschenpostbote wollte nach der Muschel greifen, doch der Fremde zog seine Hand zurück. »Nur der Tod ist umsonst. Dieses überaus seltene Exemplar kostet dich drei Korallentaler.«
Knut seufzte. Es wäre auch zu schön gewesen. Drei Taler waren allerdings auch ein happiger Preis. Für das Geld hätte er auch eine Tüte mit zehn Algenbrötchen bekommen.
»Diese Gelegenheit bietet sich dir kein zweites Mal. Überlege gut, bevor du ablehnst.«
»Ist in Ordnung.« Er legte dem Fremden das Geld in die eine Hand und nahm die Muschel aus der anderen.«
Vorsichtig schüttelte Knut seinen Neuerwerb. Es war nichts zu hören. Er klopfte an, doch die Muschel öffnete sich nicht. Schließlich griff er zum Messer, dass er immer bei sich trug und drückte damit die Schalen sanft, aber bestimmt, auseinander.
»Hey!«, sagte die Muschel erbost. »Kann man denn nicht mal in Ruhe ein Mittagsschläfchen halten? Mach sofort meine Tür wieder zu.«
Knut sah schnell hinein. Keine Perle. Er entschuldigte sich, zog das Messer zurück und ließ die Muschel fallen.
»Pst.«, hörte er wieder diese Stimme. »Du siehst aus, als würdest du einen kostbaren und sehr seltenen Gegenstand sehr wohl zu schätzen wissen. Das können hier nämlich die Wenigsten.«
Knut drehte sich um, wollte sich gerade über den schlechten Handel beschweren, da entdeckte er den Fremden hinter einem Verkaufsstand. In großen Buchstaben stand dort geschrieben:
Seltene blaue Perlen – Jetzt in jeder siebten Muschel.
Der Flaschenpostbote verdrehte die Augen. Nun fiel ihm wieder ein, wann er zuletzt von diesen seltenen Dingern gehört hatte. Es war tatsächlich in seiner Kindheit gewesen. Im Supermarkt an der Kasse hatten die Muscheln gelegen. So manches mal hatte er sie von seinem Taschengeld gekauft und kein einziges Mal Glück gehabt.
»Wieder nichts. Hätte ich mir mal die Algenbrötchen gekauft.«

(c) 2024, Marco Wittler

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