1663. Die Geister des Waldes

Die Geister des Waldes

Sie stapften durch den dunklen Wald, drei dunkle Gestalten, die in einer Reihe in die Spuren des Vordermanns traten. Niemand sollte erahnen können, wie viele sie wirklich waren.
Sie waren die Geister des Forstes, kümmerten sich um die Pflanzen, die Bäume und Tiere. Sie sprachen mit Kräutern und streichelten Moose, wann immer diese es nötig hatten. Doch mit dem Menschen hatten sie keine guten Erfahrungen gemacht. Diese jagten und vertrieben sie, wo es nur ging. Dabei waren sie rücksichtslos und gewährten keine Gnade.

„Jetzt hör endlich auf mit deinen Schauergeschichten.“ Fritz war eh schon viel zu nervös. Es war seine erste Nachtwanderung überhaupt. Die wollte er nicht mit zitternden Knien, schlotternden Beinen und klappernden Zähnen beenden.
Doch seit einer gefühlten Ewigkeit ließ Paul nicht locker und erzählte immer gruseligere Geschichten.

Sie sind nie allein unterwegs, kommen immer zu dritt. Sie warten in der Finsternis, stehen in den Schatten, warten auf den richtigen Moment, um sich auf uns zu stürzen. Es gibt nur eines, woran man sie erkennen kann. Wenn man in der Ferne ihre Augen leuchten sieht, nimmt man schnell seine Beine in die Hand und ergreift die Flucht. Nur dann hat man noch eine Chance, diesen Wald lebendig zu verlassen.

Fritz schrie auf, ließ die Taschenlampe fallen. Da vorn war doch etwas gewesen? Leuchtete da nicht etwas?
Schnell hob er die Lampe auf, suchte. Er hatte richtig gesehen. Drei kleine Gestalten, die nun inne hielten, sich nicht mehr bewegten. „Weg hier!“
Doch Paul blieb. Er ging sogar näher. Mit einem breiten Grinsen drehte er sich um. „Du Angsthase! Das sind nur ein paar alte Baumstümpfe. Und du machst dir deswegen fast in die Hose.“
„Ach, halt doch den Mund und geh einfach weiter.“
Sie setzten ihren Weg fort, kamen wenige Minuten später wieder im Zeltlager an. Fritz setzte sich ans Lagerfeuer. Das Lodern der Flammen versprach ihm nicht nur Wärme, auch Sicherheit vor den Wesen der Finsternis. Falls sie echt waren, würden sie sich bestimmt nicht hierher wagen.

„Sind sie weg?“ Einer der Baumstümpfe bewegte sich, starrte angestrengt durch die Dunkelheit zum nahen Lagerfeuer.
„Sie achten nicht mehr auf uns.“
Leise streiften sie ihre Tarnmäntel ab. Zum Vorschein kamen drei Wichtel, die einem herkömmlichen Gartenzwerg nicht unähnlich sahen, mit diesen aber nicht verwandt waren
„Was denken diese Menschen eigentlich von uns? Stellen uns wie Monster dar, die ihnen ans Leder wollen. Wir fressen doch niemanden.“
Der Älteste holte ein dickes Buch aus seiner Tasche, schlug es auf. „Wir haben elegantere Methoden.“
Er flüsterte eine Beschwörungsformel, bewegte seine Hände dabei fortwährend durch die Luft. Schlagartig sank die Temperatur. Die Feuchtigkeit des Waldbodens stieg als Nebel auf, bildete Wolken. Innerhalb weniger Minuten goss es wie aus Eimern. Der Regen löschte das Lagerfeuer und trieb die unerwünschten Menschen aus dem Wald.
„So nämlich machen wir das. Jetzt herrscht hier wieder Ruhe für uns, die Pflanzen und die Tiere.“
Die Wichtel zogen wieder ihre Tarnmäntel über und verschmolzen mit dem Hintergrund. Niemand konnte sie noch sehen.

(c) 2024, Marco Wittler

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