Der Fang seines Lebens
Es machte Pitsch, es machte Patsch. Unaufhörlich klatschten die Wellen gegen die Mauern des Hafens. In seinem Innern lagen ein paar kleine Fischerboote, die darauf warteten, an diesem frühen Morgen in See stechen zu können.
Die Fischer machten die Netze klar, prüften jeden Knoten und lösten schließlich die Haltetaue. Sie stachen in See.
Knut stand am Steuerrad des kleinen Schiffes Maria. Er hatte sich für diesen Tag etwas ganz Besonderes vorgenommen. Er wollte den größten Fang seines Lebens machen. Am Tag zuvor hatte er sich dafür ein extra großes Netz gekauft. Er wollte es einmal in seinem Leben den anderen Fischern zeigen. Jeden Abend lachten sie ihn aus, weil er viel weniger Fische mit nach Hause brachte. Heute sollte es aber anders sein.
»Wir werden sie alle eines Besseren belehren.«, rief Knut seinem Helfer Hannes zu.
»Heute werden wir unsere Laderäume bis zum Rand füllen.«
Hannes nickte nur und sah wieder auf die See hinaus. Er wollte es noch nicht recht glauben.
»Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.«, sagte er leise vor sich hin.
»Man soll den Fisch nicht verkaufen, bevor man ihn gefangen hat.«, hängte sogleich hinten dran.
Langsam kroch die Sonne über den Horizont. Es wurde heller. Während die anderen Schiffe bereits ihre Netze ins Wasser gelassen hatte, fuhr Knut weiter hinaus aufs Meer.
»Sollten wir nicht langsam etwas fangen? Wir sind schon spät dran, Kapitän.«, fragte Hannes.
Knut war aber noch nicht ganz zufrieden. Er sah sein Ziel weiter weg vom Land. Noch eine ganze Stunde tuckerte er mit seiner Maria durch die Wellen.
»Hier ist es. Hier werden wir den Fang unseres Lebens machen.«
Die beiden Fischer ließen die Netze ins Wasser und warteten auf den großen Fang.
Am Abend saßen die Fischer auf der Hafenmauer, tranken gemeinsam ein kühles Bier und warteten auf die Rückkehr der Maria.
»Ich habe gehört, dass Knut den Fang seines Lebens machen will. Er es uns allen zeigen.«
Sie lachten laut, denn sie wussten, dass Knut das kleinste Schiff besaß und niemals so viele Fische fangen konnte, wie die modernen Fischerboote.
»Da vorn kommt er.«
Und tatsächlich näherte sich die Maria dem Hafen. Sofort griffen die Fischer nach ihren Fernrohren und sahen ihr entgegen.
»Die Netze sehen leer aus.«, sagte einer von ihnen.
»Riesige Haufen Fisch kann ich auch nicht entdecken.«, entgegnete ein anderer.
Sie lachten wieder. Als Knut schließlich an der Hafenmauer anlegte, standen sie alle auf und gingen ihm entgegen.
»Na, Knut. Was macht der Fang deines Lebens? Hast du so viel gefangen, dass du dich zur Ruhe setzen kannst?«
Hannes hörte sie und sein Gesicht wurde rot vor Wut.
»Und ob wir den besten aller Fänge gemacht haben. Ihr werdet alle neidisch, wenn ihr seht, was wir nach Hause bringen.«
Knut winkte ab und brachte seinen Helfer zum Schweigen.
»Wir werden uns tatsächlich zur Ruhe setzen. Doch dazu brauchen wir nicht einen einzigen Fisch.«
Er betätigte einen Schalter. Ein kleiner Motor zog ein Seil aus dem Laderaum. Zum Vorschein kam eine alte Holztruhe, die nun langsam an Land getragen wurde.
Knut verließ die Maria, löste das Seil von der Kiste und öffnete den Deckel.
»Fische haben wir zwar nicht gefangen, aber dafür haben wir den Schatz von Kapitän Rotbart gefunden, dem reichsten Piraten, der jemals unser Meer befahren hat.«
Er holte zwei Hände Goldmünzen hervor und ließ sie durch seine Finger gleiten. Die anderen Fischer wollten ihren Augen nicht trauen. Knut hatte tatsächlich Recht behalten.
(c) 2009, Marco Wittler
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