1117. Ein letztes Spiel

Ein letztes Spiel

Paul hatte es sich auf seinem Campingstuhl gemütlich gemacht. Er nahm die Karten von Tisch, sortierte sie einzeln in seiner Hand und setzte sich die Sonnenbrille auf. Er wollte verhindern, dass Papa, der ihm gegenüber saß, in seinem Augen sehen konnte, was Paul über seine Gewinnchancen dachte.
»Das ist jetzt aber unsere letzte Runde.«, sagte Papa, während er nun auch selbst seine Karten sortierte. »Es wird langsam Zeit, dass wir aufbrechen.«
Paul schüttelte den Kopf. So viel Glück hatte er schon lange nicht mehr gegen Papa gehabt. Das wollte er auf keinen Fall beenden. Er wollte dieses Gefühl noch lange genießen können.
»Ich habe Gummistiefel an. Wir können noch etwas bleiben.«
Sie spielten weiter, während um sie herum das Wasser stieg und den Boden unter ihren Füßen überschwemmte. Die Flut hatte eingesetzt und bewegte das Wasser des Wattenmeers langsam auf den Strand zu.
Irgendwann war das Wasser so hoch, dass Pauls Gummistiefel darin verschwanden und komplett voll liefen.
»Meinst du nicht, dass wir jetzt doch mal langsam gehen sollten?«, fragte Papa ein weiteres Mal. Wieder lehnte Paul ab, denn seine Siegesserie war ungebrochen.
Das Wasser stieg weiter. Es erreichte Pauls Po, dann seinen Bauch.
»Wenn wir jetzt noch lange bleiben, ist der Tisch gleich weg.«
Paul seufzte. »Eine letzte Runde noch. Bitte.«
Papa nickte. Er mischte ein letztes Mal das Spiel, teilte die Karten auf dem Tisch aus und sah zu, wie in diesem Moment das Wasser über die Kante schwappte und alles fort spülte.
»Ach, verdammt.«, ärgerte sich Paul, der zeitgleich von einer Welle vom Stuhl gedrückt wurde.
»Aber bei der nächsten Ebbe machen wir weiter.«

(c) 2021, Marco Wittler


Image by denisa2017 from Pixabay

Unser Score
Klicke, um diesen Beitrag zu bewerten!
[Gesamt: 0 Durchschnitt: 0]

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*