1587. Das Wetter spielt verrückt

Das Wetter spielt verrückt

Odin zog sich die Kapuze seines Umhangs tiefer ins Gesicht. Er wollte nur ungern sofort als Gott von den Menschen der Nordlande erkannt werden, während er sich mitten unter ihnen bewegte und nach dem Rechten sah.
Für seinen heutigen Ausflug hatte er sich einen Marktplatz ausgesucht. Es war mal wieder an der Zeit, Obst für die Wohnstatt der Götter, Valhalla, einzukaufen. Gerade der Vorrat an Äpfeln und Bananen ging langsam zur Neige.
Gerade hielt er ein paar wohlschmeckende Trauben in der Hand und ließ sich eine davon auf der Zunge zergehen. Sie war zuckersüß und hatte in diesem Jahr wohl besonders viel Sonne abbekommen. Es hatte sich offenbar gelohnt, dass er bereits im letzten Herbst, die Gewitterblitze in einem Schrank im Keller versteckt hatte.
»Wie viel darf ich euch für die Köstlichkeit bezahlen, gute Frau?«, fragte Odin die Verkäuferin hinter dem Stand.
Sie nahm ihm die Trauben aus der Hand, wiegte sie gekonnt in der der eigenen hin und her, bis sie nickte. »Das macht drei Kupferstücke, werter Herr.«
Odin nickte ebenfalls. Er griff in seine Tasche, holte sie als leere Faust wieder hervor. Als er die Finger öffnete, waren drei Goldstücke unter ihnen aufgetaucht. Es war schon es Besonderes, über die Gaben der Götter zu verfügen. »Stimmt so.«
Noch bevor er das Geld übergeben konnte, fuhr plötzlich ein heller Blitz vom Himmel hernieder und schlug nur wenige Meter neben dem Marktplatz ein.
»Wo kam der denn her?« Die Händlerin sah auf. Es war keine einzige Wolke am Himmel zu sehen. »Das kann doch gar nicht sein.«
Schon blitzte es ein zweites, ein drittes Mal.
»Odin steh uns bei, dass uns der Himmel nicht auf den Kopf fällt.«
»Bin schon dabei.« Odin ließ die Goldstücke auf den Tisch fallen, riss sich seinen Mantel vom Leib und fuhr augenblicklich zum Himmel hinauf. Er riss die Tore Valhallas auf, stürmte zum Zimmer seines Sohnes und erwischte diesen auf dem Balkon.
»Thor!«, brüllte Odin laut. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht mit Blitzen spielen darfst? Sie sind viel zu machtvoll und gefährlich. Es könnte jemand auf der Erde verletzt werden.«
Vor Schreck ließ Thor den Blitz, den er gerade in Händen hielt, fallen. Dieser prallte am Boden ab, sauste davon und hätte beinahe den Göttervater in den Hintern getroffen. Zum Glück blieb er neben dessen Fuß im Boden stecken.
Odin wurde wütend. Sein Gesicht lief rot an. »Siehst du? Genau aus diesem Grund habe ich die Blitze im Keller eingeschlossen. Sie sind gefährlich und können andere verletzen.«
Thor stöhnte genervt. »Ach, Mensch Papa. Du checkst echt gar nichts. Ich brauche die Blitze für mein nächstes Reel auf Instagram. Meine Follower wollen mehr Action sehen.« Er warf sein Smartphone aufs Bett. »Aber hier darf man halt gar nichts. Wozu bin ich denn als Gott geboren worden?«
Odin schloss die Augen und wischte sich mit der Hand über sein Gesicht. »Nur nicht ausflippen.«, murmelte er leise. Nur nicht ausflippen. Teenager sind eben so.«

(c) 2024, Marco Wittler

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